EU-Behörden können zur Zeit weder direkte Steuern erheben noch Kredite aufnehmen, in dem sie z.B. Staatsanleihen auflegen. Die EU-Kommission sucht nach Wegen, dem abzuhelfen, um ihre sozialpolitischen Visionen finanzieren zu können. Ex-Kommissar Mario Monti schlägt „verhaltenslenkende" EU-Steuern vor.

GD/AD – 01/2017

In der gegenwärtigen Phase von nationalen Regierungen provozierter EU-Schwäche und wachsender politischer Ratlosigkeit in strategisch relevanten Schlüsselfragen wie nationalen Schuldenkrisen oder Migration, setzt die Brüsseler Administration erneut auf Bewährtes. Sie braucht mehr Geld und vor allem direkte, möglichst selbst zu kontrollierende Einnahmequellen. Seit Beginn der großen Bankenkrise musste der „Superstaat“ EU erleben, dass ihm eine heute für die politische Existenz bedauerlicherweise wesentliche Eigenschaft fehlt: er darf und kann sich nicht verschulden, so wie es alle anderen tun, um seine Visionen zumindest teilweise in die Wirklichkeit umzusetzen. Schon um das Jahr 2010 war der damalige Finanzkommissar für eine Direktbesteuerung als selbst gestaltbare Einnahmequelle. Dies gehöre, so hieß es schon damals, „irgendwie“ zum Staatssein dazu.  

Die Juncker-Kommission hat Ex-Kommissar Mario Monti beauftragt, Vorschläge zu machen. Wie das „Handelsblatt online“ meldet, empfiehlt der Altkommissar und kurzzeitige italienische Ministerpräsident einen Strauß aus einschlägigen steuerpolitischen Maßnahmen. Darunter vorwiegend solche, denen die „Aura politischer Korrektheit durch Verhaltenslenkung" beiwohnt. Dazu zählen eine CO2-Abgabe, eine weitere Stromsteuer, eine EU-Körperschaftssteuer und der „Uraltwunsch" nach einer Finanztransaktionssteuer. Gerade deren gedanklicher Vorgänger, ein um 2010/2011 hitzig diskutiertes „Wundermittel" zur Abschöpfung aller Orten dringend benötigter Gelder bei „bestimmt ganz Reichen“, wurde mangels mitgliedstaatlicher Unterstützung vor wenigen Monaten erst sang- und klanglos beerdigt. Zwar ist das Stadium der neuen Steueroffensive noch sehr früh und der Zeitpunkt unpassend, jedoch offenbart sich der Leitmotivcharakter des Strebens nach zumindest teilweiser finanzieller Unabhängigkeit von den Mitgliedstaaten.  

Auf diese Weise möchte sich die EU-Kommission im Kreise der wachsend überschuldeten Mitgliedstaaten strukturell wirkende Sympathien beschaffen. Geld wird dazu – statt bisheriger vorwiegend verbaler Programme – reichlich benötigt. Mehr vielleicht, als selbst Deutschland im Wahljahr beisteuern möchte. Im Klartext: zusammenbrechende Versorgungswelten in den staatlich finanzierten Gesundheitsdiensten löst man in zwei oder drei Jahren nicht mehr mit einer abstrakten Debatte um „europäische Säulen sozialer Rechte“. Geld fehlt vor Ort, die Schulden wachsen unaufhörlich. Nur exogenes Geld könnte hier „helfen“. Dem ungeachtet würde die reale Version des „harten" Brexit – ein investitionsfreundlicher, entbürokratisierter, britischer Konkurrenzraum vor der EU-Haustür – den Gegensatz zu mehr Bürokratie und Steuern in der EU27 deutlich werden lassen.