Obwohl sich die Inflationsrate auf die Zwei-Prozent-Zielmarke zubewegt, verlängert die EZB zur Deflationsbekämpfung ihr Ankaufprogramm von Staatsanleihen. Nie erlebte Kapitalmarktphänomene, wie etwa „Strafzinsen" auf Schwankungsreserven von Sozialversicherungsträgern, beunruhigen Bürger und Unternehmen.

GD/AD – 01/2017

Mit einer Euroraum-Inflationsrate von rund 1,1 Prozent – in Deutschland immerhin 1,7 Prozent – hat sich die Geldentwertung im Vormonatsvergleich November 2016/2015 nahezu verdoppelt. Damit nähert sie sich der von der EZB zur „Deflationsbekämpfung“ angestrebten Schwelle von mittelfristig rund zwei Prozent Inflation. Wie die F.A.Z meldet, stimuliert diese Entwicklung die Diskussion darüber, wie lange die EZB ihren geldpolitischen Kurs mit Billionenankäufen von Euroanleihen noch über das vorläufige Enddatum „nach der deutschen Bundestagswahl“ (24. September 2017) hinaus fortsetzen wird. Unlängst wurde das Anleihekaufprogramm gerade bis Ende 2017 verlängert und das Gesamtvolumen auf sagenhafte 2.500 Milliarden EUR aufgestockt. Nach wiederholten Aussagen des EZB-Präsidenten Mario Draghi diene dies ja ausschließlich der Deflationsbekämpfung. Jeder Gedanke an eine – illegale – Finanzierung nationaler Staatshaushalte wies er stets zurück. 

Aus gewerkschaftsnahen Instituten, so dem IMK, verlautet, dass der Euroraum weiterhin eine expansive Geldpolitik „zum Überleben“ brauche. Die bürgerlichen Kräfte sorgen sich um die wachsende Wut der Kleinsparer, deren Geld nunmehr auf der Bank nichts mehr abwirft und stattdessen von der Inflation schleichend entwertet wird. Eine Schuldzuweisung an „Europa“ und sein Eurorettungssystem liegt da für viele nahe. Auch die Vorstellung von Minusrenditen („Strafzinsen") für Schwankungsreserven von Sozialversicherungsträgern bei gleichzeitig 1,7 Prozent – oder mehr – Inflation dürfte nicht beruhigen. Wie so oft sind die Interessenlagen der Wirtschaftsteilnehmer vielschichtiger als vermutet, denn „Billiges Geld" befeuert die Börsenkurse weit jenseits der echten Unternehmenschancen. Die Inflation ist Ökonomen zufolge nicht vorwiegend Heilungsprozessen nationaler Volkswirtschaften geschuldet – Italien ist unproduktiver denn je – sondern u.a. der weltweiten Verteuerung der Energiepreise. 

Die Geldpolitik der EZB vermittelt den Eindruck wirtschaftlicher Gesundung. Dabei wird übersehen, dass das Kernübel, die Überschuldung der meisten Euro-Mitgliedstaaten, schlimmer geworden ist. Verknappte man nun die „Deflationsbekämpfungsbillionen“, gerieten rasch Banken ins Trudeln und erführen, dass von ihren eigenen nationalen Notenbanken im Ernstfall kaum etwas Seriöses zu erhoffen wäre. Ohne die Mittel zur „Deflationsbekämpfung“ wäre mancherorts vermutlich längst Schluss. EZB-Präsident Draghi beschert in nahezu auswegloser Lage den Regierungen geräuschlose Eurozeiten. Beendete man dies nun mehr oder minder abrupt, träten die alten Probleme verschärft ins Rampenlicht. EZB-Beobachter stellen Fragen: Welche geldpolitischen Instrumente sind ökonomisch angemessen und können sie ihr Ziel noch erreichen? Welche sind vor dem Hintergrund „populistischer Tendenzen" politisch vermittelbar? Welche „Suchtgefahren" nach Zentralbankgeld bestehen derzeit und würden „Entzugserscheinungen" die wirtschaftliche Stabilität der Eurozone bedrohen?