Ruhe vor dem Sturm.

Dr. WSW – 02/2017

Eine lange Reihe hochrangiger Persönlichkeiten aus den Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen widmete sich mit bemerkenswerter Vorsicht essentiellen Fragen einer weiteren Integration eines „sozialen Europa“.  

Im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation zur Einführung einer „Europäischen Säule sozialer Rechte“ durchgeführt. An ihr hatte sich mit durchaus kritischen Kommentaren auch die deutsche Sozialversicherung beteiligt (die Beiträge finden Sie hier). Nach Abschluss der Konsultation veranstaltete nun die EU-Kommission am 23. Januar in Brüssel vor einem auffallend großem Publikum eine Folgekonferenz.  

Einbeziehung neuer Arbeitsformen in die Sozialversicherung

Zusammenfassend wurde die quantitative Dimension der eingegangenen Antworten vorgestellt: ca. 18.500 online-Antworten sind eingegangen, und 170 schriftliche Stellungnahmen. Die Veranstaltung wurde begleitet durch mehrere workshops. Einer davon widmete sich der Zukunft des Sozialschutzes und der sozialen Sicherheit. Unter anderem hatte Dr. Wolfgang Schulz-Weidner von der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung als Podiumssprecher die Gelegenheit, die Ergebnisse einer vergleichenden Studie zur Einbeziehung neuer Arbeitsformen in die Sozialversicherung vorzustellen. Konkret ging es um ein Projekt des Rentenausschusses der „European Platform for Social Insurance“. Es konzentrierte sich auf Erwerbsarbeit im Rahmen elektronischer, internet-basierter Plattformen wie z.B. Amazon Mechanical Turk und ihre verpflichtende oder freiwillige Absicherung in gesetzlichen Rentensystemen.  

Säule als letzte Chance für ein soziales Europa?

In einer Schlüsselrede bezeichnete Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Säule als „letzte Chance für ein soziales Europa“. Trotz vieler Kritik blieb er dabei, dass die Säule erst einmal nur für die Eurozone geplant sei. Was den möglichen Inhalt der Säule angeht, äußerten sich weder er noch andere Sprecher eingehender, wenn man einmal vor der Forderung nach einem nicht näher konkretisierten „Mindesteinkommen für alle“ absieht. Ein solches besteht allerdings schon heute in Form von bedürftigkeitsgeprüfter Sozialhilfe in praktisch allen Mitgliedstaaten. Auch konnte aus den zahlreichen Reden und Kommentaren eine gewisse Tendenz in Richtung einer Anpassung im Rahmen des Europäischen Semesters heraushören lassen. 

Weißbuch zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion

Schließlich wurde bekannt, dass die Kommission das angekündigte Weißbuch zur „Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion“ doch nicht wie geplant im März herausbringen wird, sondern wohl erst in der zweiten Jahreshälfte. Kommissions-Vizepräsident Dombrovskis erinnerte daran, dass im Rahmen dieses Weißbuchs unter anderem auch die „Interaktion“ mit der Säule sozialer Rechte reflektiert wird. Was letztere angeht, so kündigte Dombrovskis einen baldigen „Fahrplan“ zur Implementation der Säule an. „Startschuss“ dürfte nach wie vor der für den März terminierte „Kommissionsvorschlag zur europäischen Säule sozialer Rechte“ sein.  

 

Am 17. November ist 2017 soll in Göteborg ein „Sozialgipfel“ zu den Themen „Faire Arbeitsplätze und Wachstum“ abgehalten werden. Er soll einschlägige Interessenträger zusammenbringen – neben den Mitgliedstaaten auch Sozialpartner und „andere Interessenträger“.