Raiffeisenchef betont genossenschaftliches Leitbild in der gegenwärtigen sozialökonomischen Sinnkrise: „Was der einzelne nicht schafft, das schaffen wir gemeinsam."

GD/AD – 02/2017

Unter den Schlagwörtern „Brexit“, „Trump“ oder „Euro-und Schuldenkrise“ lassen sich wesentliche Teile der gegenwärtig empfundenen Krisenstimmung in vielen Teilen Europas und der Welt bündeln. Nach Ansicht des Chefs der Raiffeisen-Gesellschaft, Werner Böhnke, habe das in Deutschland besonders ausgeprägte Genossenschaftsmodell eine Reihe von Lösungsansätzen für die gegenwärtige sozialökonomische Sinnkrise parat.  

 

Massenweise Verunsicherung, ein mehr oder weniger dumpfer „Antikapitalismus“ kennzeichne heute die Lage in vielen Eurostaaten und darüber hinaus.  

Dabei ist die Sicherstellung ökonomischer Produktivität eine zwingende Voraussetzung für die sozialrechtliche Gewährung von „Teilhabe“ finanziell nicht selbsthandlungsbefähigter Personengruppen. Gerade das Leitbild der Genossenschaften „was der einzelne nicht schafft, das schaffen wir gemeinsam“ wirke hier ausgleichend und reduziere zugleich den wachsenden Egoismus. Genossenschaften arbeiten lokal, sie sind mithin „standorttreu“ und ihrer Region verhaftet wirtschaftlich wirksam. Gerade in Zeiten einer von vielen als Bedrohung wahrgenommenen Globalisierung sei eine Stärkung dieses regionalen Ordnungsaspektes sinnstiftend. Sogar im für Kritiker unseres Wirtschaftssystems vielleicht grenzwertigsten Bereich, der Finanzwirtschaft, wirken die Genossenschaften, nach Aussage ihres Chefs mit einem regionalen Schwerpunkt.  

Nach Meinung von sachkundigen Beobachtern helfe eine faktisch alternativlose Fundamentalkritik am ertragsorientierten Wirtschaftsprinzip kaum weiter. Es ginge vielmehr darum, sicherzustellen, dass ökonomische Vielfalt in möglichst hoher regionaler Streuung möglichst von vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern als positiv und wohlstandssichernd wahrgenommen werde.  

Auch das deutsche Sozialversicherungsmodell in Selbstverwaltung und sozialverträglichem Wettbewerb hat bedingten Genossenschaftscharakter in seiner Bedeutung der Teilhabesicherung, etwa für die Nachfrage nach hochklassigen und teuren Leistungen am Gesundheitsmarkt. Das sie tragende Element der Selbstverwaltung ist nach Meinung vieler der Garant für die Versorgungsqualität und die Leistungsfähigkeit des Systems im Vergleich zu anderen Organisationsformen, seien diese nun nach US-Art rein marktwirtschaftlicher Natur oder, wie in staatlichen Gesundheitsdiensten, eine Institution mit Behördencharakter aber finanzieller Abhängigkeit vom Staat selbst.  

Allerdings brauche auch unser Sozialsysteme wirtschaftliche Stabilität und somit solide Finanzgrundlagen. Dazu könne die Politik durch geeignete wirtschaftspolitische Maßnahmen beitragen, was in vielen Staaten der EU nicht (mehr) im wünschenswerten Umfang geschieht und zur Desillusionierung beiträgt. Der Erhalt standorttreuer Arbeitsplätze im Wege einer effizienten Mittelstandsstärkung gehöre ebenso dazu, wie ganz praktisch die Verfügbarmachung von Betriebsmittelkrediten durch eine dazu bereite Geldhausarchitektur. Auch der Abbau öffentlicher Verschuldung, die jeden vernünftigen Rahmen sprengt und die Zukunft ganzer Generationen gefährdet, erfülle eine Sicherungsfunktion für künftige Teilhabesicherung. Gerade die Dauerkrisen um überschuldete Eurostaaten zeigen das ganze Elend des dadurch am Ende bewirkten Staatsversagens.