Der GKV-Spitzenverband wird ausländische Versandapotheken, die Boni an ihre Kunden ausschütten, nicht sanktionieren. Ein solcher Schritt würde dem Ziel des EuGH entgegenstehen, für Wettbewerb zwischen Versand- und Präsenzapotheken zu sorgen.

IW – 03/2017

Im Oktober 2016 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden, dass ein Verbot der Boni-Gewährung an Patientinnen und Patienten die ausländischen Apotheken europarechtswidrig diskriminiert und nicht mit den europäischen Regelungen für einen freien Warenverkehr vereinbar ist. Gerade die ausländischen Versandapotheken seien, so der EuGH, erheblich stärker auf den Preiswettbewerb angewiesen als die inländischen Präsenzapotheken. Damit dürfen ausländische Apotheken ihren Kundinnen und Kunden in Deutschland weiterhin Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren. Anders verhält es sich bei den in Deutschland ansässigen Apotheken.  

Diese aus dem Urteil resultierende Ungleichbehandlung von deutschen und ausländischen Apotheken hat dazu geführt, dass der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V in der politischen Diskussion eine wichtige Rolle eingenommen hat. Dabei handelt es sich um einen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) geschlossenen Vertrag, der die genauen Abläufe der Arzneimittelversorgung und -abrechnung zwischen Apotheken und Krankenkassen regelt. Verschiedene Fachleute auf Apothekenseite hatten sich nach dem EuGH-Urteil für einen Ausschluss ausländischer Versandapotheken aus dem Rahmenvertrag ausgesprochen. Nach ihrer Auffassung verstoßen diese Apotheken durch das Gewähren von Boni gegen den Vertrag. 

Nach rechtlicher Prüfung hat der GKV-Spitzenverband vor wenigen Wochen entschieden, den Rahmenvertrag dem EuGH-Urteil entsprechend europakonform anzuwenden. Ausländische Versandapotheken, die bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel Boni ausschütten, sind demgemäß nicht zu sanktionieren. "Gerade weil der EuGH Boni als nahezu einziges Instrument für ausländische Versandapotheken einstuft, um im Wettbewerb mit Präsenzapotheken in Deutschland bestehen zu können, sehen wir keine Basis für Sanktionen. Im Gegenteil – ein solcher Schritt würde dem Ziel des EuGH, für Wettbewerb zwischen Versand- und Präsenzapotheken zu sorgen, geradezu entgegenstehen", sagt Johann-Magnus v. Stackelberg, stellv. Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes.  

Aus Sicht der gesetzlichen Krankenkassen sei nach der Urteilsbegründung zeitnah zu klären, wie das deutsche Sozialrecht mit dem EuGH-Urteil harmonisiert werden kann. Erst danach könnten mögliche Anpassungen des Rahmenvertrages diskutiert werden. Klar sei jedoch, dass ein kompletter Verbot des Versandhandels im digitalen Zeitalter an den Verbraucherbedürfnissen vorbei geht.  

Anlass für die Entscheidung des Gerichtshofs war eine Kooperation zwischen der Deutschen Parkinson Vereinigung und einer niederländischen Versandapotheke, die Vereinsmitgliedern Boni für die rezeptpflichtigen Parkinson-Medikamente gewährte (Rechtssache C-148/15). Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hatte dagegen geklagt. Das im Ausgangsrechtsstreit zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf hatte den Rechtsstreit an den EuGH verwiesen.