Präsidentschaftskandidat Macron möchte die EU zu weitgehend autonomem wirtschafts- und indirekt sozialpolitischem Handeln befähigen.

GD/AD – 03/2017

Vor Beginn der finalen Phase des französischen Präsidentschaftswahlkampfes beschreibt einer der Favoriten, der parteiunabhängige einstige Berater und Wirtschaftsminister des sozialistischen Noch-Präsidenten Francois Hollande, Emmanuel Macron, seine Zukunftsvision und die Leitlinien einer möglichen künftigen französischen Politik in und mit Europa. Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ und das französische Wirtschaftsblatt „Les Echos“, dem Macron ein ausführliches Interview gab, melden, müsse die „Austeritätspolitik“ – insbesondere von Deutschland und Angela Merkel zu verantworten – „beendet“ und durch ein „neues Wachstumsmodell“ ersetzt werden.  

Dies sei, nach Lage der Dinge, nur vom Staat sicherzustellen. Mithin verlangt Macron verstärkte „öffentliche Investitionen“ auf nationaler und auf EU-Ebene. Die EU brauche dafür ein „richtiges Budget“ unter der Kontrolle eines Wirtschafts- und Finanzministers der Euro-Zone. Schon als französischer Wirtschaftsminister hatte er seinerzeit Deutschland aufgefordert, mindestens 50 Milliarden Euro für ein solches Budget zur Verfügung zu stellen. Als wünschenswerte Größenordnung des neuen EU-Fonds schweben Macron „mehrere hundert Milliarden Euro“ vor. Angesichts der Investitionshemmnisse in Frankreich sei hier „der Staat gefordert“. 

Im Rahmen seines Investitionsprogramms für Frankreich möchte Macron rund 15 Milliarden Euro in die „Ausbildungsförderung“ stecken, ein ebenso hoher Betrag soll in die „Energiewende“ gehen. Das „Gesundheitswesen“ soll mit weiteren fünf Milliarden Euro ebenso wie die Landwirtschaft gefördert werden. Das Grundübel der französischen Wirtschaft, der Mangel an produktiven Arbeitsplätzen im nichtstaatlichen Raum und die unzureichende Produktivität am Standort blieben bestehen oder würden stärker, kritisieren die meisten internationalen Wirtschafts-Wissenschaftler. Gelänge es nicht, hier Erfolge zu erreichen, drohe ein Scheitern ähnlich der Regierung Hollande. Auch das Gesundheitswesen wäre betroffen. Zusätzliche fünf Milliarden Euro – ein Bruchteil der Jahresausgaben – könnten Struktur- und Effizienzmängel ebenso wenig kompensieren, wie fehlende Wettbewerbselemente im Beschaffungsbereich. 

Neuartig ist Macrons EU-Gläubigkeit mit dem Ziel, die Unionsebene zu weitgehend autonomem wirtschafts- und indirekt sozialpolitischem Handeln zu befähigen. Volkswirte könnten hier eventuell erstmals eine quasi supra-staatliche Variante „keynesianischer Wirtschaftspolitik“ erfahren, die versucht, nicht nur auf der nationalen politischen Ebene die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch öffentliche Intervention zu stimulieren. Allerdings geschähe dies – so es denn Wirklichkeit wird – vor dem Hintergrund einer noch nie so brisant existierenden Überschuldung der öffentlichen Hand.  

Hier sind aus deutscher Sicht ernste Konflikte mit deutschen Subsidiaritätsinteressen und dem wohl noch immer gültigen Mehrheitsziel programmiert, angesichts der rasch sinkender Zahl der Zahlerstaaten nicht zum Alleinverantwortlichen für die Beschickung des milliardenschweren EU-Zukunftsfonds zu werden. Die Gefahr, dass dieser ad libitum zur Sicherung politischer Beliebtheit hierhin und dorthin verteilt wird wäre ebenso wenig von der Hand zu weisen, wie die Fragwürdigkeit einer enormen Ausweitung der Neuverschuldung zur Überwindung bereits bestehender Überschuldungsszenarien, insbesondere in nicht mehr zur Selbstentschuldung befähigten Volkswirtschaften.