Die Kommission möchte eine Debatte über den Mindestschutz für alle Arbeitnehmer anstoßen. Dabei hat sie insbesondere auch solche in atypischen Beschäftigungsverhältnissen im Blick.

IW/TH – 05/2017

Der Europäischen Kommission ist es ein besonderes Anliegen, die Rechte der Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen zu stärken. Dies hat sie unter anderem in der am 26. April veröffentlichten Europäischen Säule sozialer Rechte deutlich gemacht. In diesem Zusammenhang strebt sie eine grundlegende Überarbeitung der Nachweisrichtlinie (Richtlinie 91/533/EWG über die Unterrichtung der Arbeitnehmer). In einem ersten Schritt hat sie hierzu eine an die Sozialpartner gerichtete Konsultation eröffnet.  

Status quo

Die Richtlinie gibt Arbeitnehmern das Recht, zu Beginn ihrer Beschäftigung oder spätestens zwei Monate nach Aufnahme der Arbeit schriftlich über die wesentlichen Punkte des Arbeitsverhältnisses unterrichtet zu werden.  

 

Diese Regelung dient im Wesentlichen zwei Hauptzielen:  

 

  • dem besseren Schutz der Arbeitnehmer vor etwaiger Unkenntnis ihrer Rechte; denn nur wenn der Arbeitnehmer über die wesentlichen Inhalte des Arbeitsverhältnisses informiert ist, kann er seine daraus resultierenden Rechte auch entsprechend wahrnehmen. 

 

  • einer transparenteren Gestaltung des Arbeitsmarkts: es soll unter anderem sichergestellt werden, dass die Arbeitsbedingungen, die für eine spezifische Gruppe von Arbeitnehmern gelten (z.B. diese von Arbeitnehmern im Gesundheitswesen) leicht und auf Anhieb erkennbar sind, und damit einfacher verglichen werden können. 

 

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen nicht gilt, so zum Beispiel, wenn ein Arbeitsvertrag lediglich für einen Zeitraum von bis zu einem Monat abgeschlossen worden oder die Wochenarbeitszeit acht Stunden nicht überschreitet. Auch bei einer Gelegenheitsarbeit oder einer Tätigkeit besonderer Art kann eine Ausnahme gemacht werden, jedoch nur sofern objektive Gründe in diesen Fällen die Nichtanwendung rechtfertigen.  

 

In Deutschland ist die Richtlinie im sogenannten Nachweisgesetz umgesetzt. 

Warum ist aus Sicht der EU-Kommission eine Überarbeitung notwendig?

Nach Auffassung der Kommission sollen zwei miteinander zusammenhänge wichtige Herausforderungen im Rahmen der Überarbeitung thematisiert werden. 

 

Zum einen soll die Frage diskutiert werden, wie sichergestellt werden kann, dass alle Arbeitnehmer rechtzeitig und in schriftlicher Form angemessen über ihre Arbeitsbedingungen unterrichtet werden. Dies scheint bislang noch nicht in allen Mitgliedsstaaten der Fall zu sein. Zum anderen soll eine Aufwärtskonvergenz mit Blick auf gleichen Zugang zu einer Reihe wichtiger Rechte für alle Arbeitnehmer herbeigeführt werden. Besonders wichtig sei dies bei prekären Arbeitsverhältnissen. Aufgrund der sich rasch verändernden Arbeitsmärkte haben nicht mehr alle Arbeitnehmer die gleichen grundlegenden Rechte. 

 

Diese Problematik führt nach Meinung der Europäischen Kommission zu einer zunehmenden Polarisierung des Arbeitsmarktes und einem wachsenden Anteil von Arbeitnehmern in befristeten oder atypischen Arbeitsverhältnissen, welche keinem angemessenen Sozialschutz unterliegen („Festlegung von Mindestanforderungen im Hinblick auf die Rechte der Arbeitnehmer“). 

Was soll getan werden?

Zur Verbesserung der Wirksamkeit der Richtlinie sieht die Kommission im Wesentlichen vier Bereiche, in denen durch entsprechende Maßnahmen die Erkenntnisse der Evaluierung umgesetzt werden sollten: dies sind der Geltungsbereich der Richtlinie, die Erweiterung des sogenannten „Informationspakets“, Änderungen bei den Rechtsmitteln und Sanktionen sowie die Verkürzung der bislang zweimonatigen Frist für die Unterrichtung der Arbeitnehmer.  

 

Geplant ist auch eine Ausweitung der Ziele der Richtlinie: Bereits aus der Debatte über eine Aufwärtskonvergenz bei den Arbeitnehmerrechten, die mit der Entschließung des Europäischen Parlaments zu einer europäischen Säule sozialer Rechte vom 19. Januar 2017 vorangetrieben wurde, kamen verschiedene Anregungen hervor. Ziel soll es demnach sein, eine Rechtsvorschrift zu erlassen, die 

 

  • flexibel genug gestaltet ist, um zukunftssicher zu sein, 
  • nicht an eine bestimmte Beschäftigungsform gebunden ist,  
  • die Vorgaben eines Mindestmaßes an fairen Arbeitsbedingungen enthält, und für alle Arbeitsverträge gilt.  

Wie geht es weiter?

Die Europäische Kommission beabsichtigt, bis Ende des Jahres eine Überarbeitung der Richtlinie unter Berücksichtigung der Hinweise und Anregungen der Sozialpartner vorzuschlagen. 

 

Das Konsultationspapier ist hier verfügbar