Reizthemen „Demenz-Steuer“, NHS-Unterfinanzierung und Universitätsgebühren dominierten Wahl zum britischen Unterhaus – Brexit war weniger wichtig.

GD/AD – 06/2017

Statt einer Verbesserung der Sitzverhältnisse im britischen Unterhaus erzielte ihre um drei Jahre vorgezogene Neuwahl am 8. Juni heftige Sitzverluste für die konservative Partei unter der Führung durch Premierministerin Theresa May. Auch unabhängige Beobachter sind sich einig, dass ihre Risikobereitschaft nicht durch eine überzeugend funktionierende Wahlkampfstrategie gestützt wurde. Das Versprechen für ein „starkes Britannien in einem schwierigen Brexit“ ging möglicherweise an vielen Problemen der Bevölkerung völlig vorbei: Das kurzfristig präsentierte „Sozialprogramm“ (Social Manifesto) – eine Litanei von Einsparungsansätzen im ohnehin unterfinanzierten NHS und in der kommunalen pflegerischen Betreuung Demenzkranker – stand nämlich im Mittelpunkt des Wahlkampfes.  

„Dementia Tax“ statt „My home is my castle“

Gegenwärtig bezahlt die Gemeinde (council) alle Pflegeleistungen für eine Person, die weniger Bar-Anlagevermögen als 23.250 Pfund (rund 26.500 Euro) besitzt, was kleinteilig nachzuweisen ist. Die Grenze sollte auf 100.000 Pfund (rund 114.000 Euro) angehoben werden. Damit nicht genug: derzeit fällt eine selbstgenutzte Immobilie nur in diese Betragsgrenzen, wenn sich die Betroffenen bereits in stationärer Pflege befinden. Das „Pflegemanifest“ ging soweit, auch für die zahlreichen Fälle der ambulanten pflegerischen Betreuung den Wert der selbstgenutzten Immobilie einzurechnen. Angesichts der enormen Hauspreise überall in England und der astronomischen in London, hätte man somit weitgehend theoretische Werte – die meist älteren Bewohner haben das viele Geld ja nicht in der Hand – eingerechnet und die Menschen dort gegriffen, wo das Herz vieler Briten schlägt – „my home is my castle“. 

Auch die bestehende Regelung sieht hier im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung strenge Regeln vor, die allerdings nicht so weit gehen. Auch Personen in stationären Pflegeeinrichtungen können die Eigenfinanzierung ihrer Pflege aufschieben, seinerzeit wurde dies so festgelegt, weil etliche außer ihrem Haus eben nicht viel Bares hatten und haben. Nach ihrem Tod jedoch greift die Gemeinde zu und zwingt die Erben zur Erstattung der verauslagten Summen und/oder zur Veräußerung der Immobilie. Der Traum vieler Menschen, das selbstgenutzte Eigenheim der einst den Kindern oder Kindeskindern auf den weiteren Lebensweg zu geben, zumal in einer Zeit, in der Erstkäufer ohne große Vermögen keine Chancen am Immobilienmarkt mehr haben, zerrinnt somit zu nichts. Das noch vor der Wahl hektisch "einkassierte" Sozialmanifest sah vor, diese „Enteignung“ nach dem Ableben auch auf die ambulanten pflegerischen Betreuungsfälle auszudehnen.