Der EWSA macht Vorschläge zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Kritiker sehen darin Gefahren und Einengungen für den subsidiär gestalteten Sozialschutz.

GD/AD – 12/2017

In der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) zum „Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion“ der Europäischen Kommission vom 31. Mai 2017 verlangt der Berichterstatter David Croughan, ein irischer Arbeitgebervertreter, unter anderem die „Schaffung eines Förderrahmens bis 2018 für die Einführung von staatsanleihenbesicherten Wertpapieren" (sogenannte Sovereign Bond-Backed Securities SBBS), gewissermaßen als Vorläufer einer EU-Anleihe (European safe asset). 

 

Laut EWSA sollen die Arbeiten zur Bankenunion schnell abgeschlossen werden, um die „Finanzintegration“ und die „Risikoteilung“ durch die Märkte zu stärken. Der ESM solle auch die Rolle eines „Europäischen Währungsfonds“ übernehmen und über EU-Eigenmittel statt bisheriger mitgliedstaatlicher Einlagen und Garantien verfügen. Das Einlagensicherungssystem (EDIS) soll „unverzüglich“ errichtet werden. Spareinlagen sollen dadurch in der gesamten EU „den „gleichen verbesserten Schutz“ genießen. 

 

Politische Folgen dürfte die Forderung nach mehr „makroökonomischem Dialog“ haben. Darunter sei zu verstehen, dass der Rat der EU durch ein „demokratischeres System“ zur „operativen Entscheidungsfindung“ ersetzt oder ergänzt werden soll. Nach Meinung des EWSA werde auf „Schuldenabbau durch bisweilen unsinnige Haushaltskonsolidierung“ zu großer Wert gelegt. 

Sparzwänge und soziale Realitäten

Das Papier entspricht nach Meinung von Fachleuten dem in Brüssel verbreiteten Wunsch, durch Lastenvergemeinschaftung nationale Haushaltskonsolidierung zurückfahren zu können. Die zeitgleich zu diesen Sparmaßnahmen offensichtliche Erhöhung des Schuldenstandes vieler überschuldeter Euroländer wird ausgeblendet. Gleiches gilt für den nicht erwähnten Umstand, dass neben Deutschland kaum ein anderer Eurostaat überhaupt Schulden abbaut. Mithin ist erkennbar, zu wessen Lasten die künftige Haftungsunion errichtet werden soll. Sparzwänge infolge unverantwortlicher Überschuldung in etlichen Staaten sind mit der angestrebten Verbesserung der steuerfinanzierten sozialen Realitäten kaum zu vereinbaren. 

Produktivitätsunterschiede außer Acht

Der Ausweg, eine Förderung der Direktinvestition und dadurch der örtlichen Produktivität, „klassisch“ erfolgte dies durch Abwertung, wird just durch die Einheitswährung Euro versperrt. Überhaupt überwiegen Reformansätze, die bestehende Produktivitätsunterschiede weitgehend außer Acht lassen. An keiner Stelle finden sich Analysen, inwieweit der Beitritt mancher Staaten zur Hartwährungszone des Euro möglicherweise irrig gewesen ist und bereits zuvor bestehende Überschuldung refinanzierungstechnisch noch wesentlich gesteigert hat. 

Subsidiäre Sozialschutzgestaltung in Gefahr

Für Kritiker liegt es auf der Hand, dass der Gestaltungsspielraum für Subsidiarität im Sozialschutz in einer dergestalt vertieften EU-Finanzierungs- und Haftungsgemeinschaft schon aus Gründen der angestrebten Wohlfahrtsidentität zwischen leistungsfähigen Sozialwelten und unzureichend refinanzierten bzw. organisierten Sicherungsmodellen rasch sehr viel enger werden würde; für den deutschen Weg gäbe es dann kaum mehr Platz – die politischen Folgen wären vermutlich überaus schwerwiegend und keineswegs EU-fördernd.