Im Gesundheitswesen bleiben viele Rechnungen unbezahlt. Öffentlicher Dienst leistet sich 35-Stunden-Woche. Europäische Zentralbank kauft Schrott-Staatsanleihen.

10/2016

Die neue Linksregierung des schwer überschuldeten Staates hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, schon beschlossene Sparmaßnahmen „sofort“ zu beenden und weitere gar nicht erst einzuführen. Wie der Finanzminister Manuel Caldeira Cabral in einem Interview mit „Handelsblatt.online“ darlegt, wäre dies auch ein Ergebnis der „bereits erzielten portugiesischen Erfolge“. Diese Wahrnehmung steht im eindeutigen Widerspruch zu zahlreichen internationalen Ökonomen. Sie verweisen auf die Aussagen einer nüchternen Betrachtung der Entwicklung der Produktivität und des Standes der öffentlichen Schulden. Eine anhaltend schwache Wirtschaftsleistung dürfte verhindern, dass das Budgetdefizit tatsächlich, wie vereinbart und mehrfach angekündigt, von 4,4 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) auf 2,2 Prozent fällt. Mit einer Staatsschuldenquote von knapp 130 Prozent des BIP weisen nur Italien und Griechenland noch schlechtere Werte auf.  

In einigem Kontrast dazu stünden nach Meinung vieler Experten die Rentenerhöhung zum 1. Juli 2016 sowie die Einführung einer 35-Stunden-Woche mit Lohnausgleich für alle Staatsbediensteten. Dennoch wurde „politisch“ verhindert, dass Portugal, ebenso wie das regierungslose Spanien, dafür eine Abmahnung aus Brüssel erhielt. Portugiesische Anleihen gelten den großen Ratingagenturen weitgehend als „Schrott“. Nur die wenig bekannte kanadische Agentur DBRS habe diesen Abwertungsschritt noch nicht nachvollzogen, was für die Europäische Zentralbank (EZB) Grund genug war, Portugal den Zugang zu Draghis Ankaufsprogrammen für Staatsanleihen offen zu halten. Die portugiesischen Banken, Großgläubiger ihres überschuldeten Staates, sind mit rund 60 Mrd. EUR in Staatsanleihen investiert. Dies sind, wie die FAZ.online meldet, rund 23 Prozent aller Ausleihungen. Zusätzlich leiden sie unter rund 15 Prozent der ausgeliehenen Kredite, die nicht wieder zurückfließen dürften. Mithin wären für den Fall einer endgültigen Abstufung Portugals rund 38 Prozent aller Forderungen der Banken von minderer Qualität. Damit wäre eine weitere Marktfinanzierung der Geldhäuser erledigt.  

Auch im Staat zeigen sich Widersprüche zur Regierungsaussage: das Gesundheitswesen – eine Strukturkopie des britischen NHS - ist nahezu völlig marode, viele Rechnungen bleiben unbezahlt. Arbeitslosigkeit und Abwanderung von Qualifizierten verstärken die Probleme, wohingegen kaum jemand verstünde, was die „35-Stunden-Woche“ im öffentlichen Dienst Gutes tun könne.