Steter Tropfen höhlt den Stein: Schon seit mehreren Jahren verfolgt die Europäische Kommission mit Nachdruck das Projekt einer „Europäischen Arbeitslosenversicherung“.

Dr. Sch-W – 06/2018

Im Prinzip stehen zwei Modelle zur Auswahl: eine originäre Arbeitslosenversicherung, die im konkreten Fall immerhin einen Teil des Arbeitslosengeldes übernimmt, und eine Art Rückversicherung, die im Krisenfall dem Arbeitslosensystem des betroffenen Mitgliedstaats zur Seite springt. Sehr schnell deutete sich an, dass die zuletzt genannte Alternative politisch wohl die aussichtsreichere ist. Sie ist nun Gegenstand eines Verordnungsentwurfs der Europäischen Kommission vom 31. Mai, COM(2018) 387, unter dem etwas sperrigen Titel „Schaffung einer Europäischen Investitionsstabilisierungsfunktion“ oder auch „EISF“. Der mit 30 Mrd. Euro dotierte Fonds würde sowohl den Ländern der Eurozone zugutekommen als auch den Ländern, die dem Euro beitreten wollen. 

Der EISF darf nicht mit dem „European Fund for Strategic Investments“ (EFSI) verwechselt werden.  

Außerdem gibt es bereits den Europäischen Sozialfonds (ESF) für die Förderung von Beschäftigung und sozialer Eingliederung. Er hilft jährlich zirka 10 Millionen Menschen, einen (besseren) Arbeitsplatz zu finden und Benachteiligte in die Gesellschaft zu integrieren. 2014-2020 betragen die Mittel 88,4 Mrd. Euro. 

EISF nur für „Große asymmetrische Schocks“

Der Fonds soll greifen, sobald ein Mitgliedstaat einem „Großen asymmetrischen Schock“ ausgesetzt ist. Wann das der Fall ist, soll im Wortlaut wiedergegeben werden: „Die Kriterien zur Aktivierung der … Unterstützung beruhen auf einem zweifach an die Erwerbslosenquote gekoppelten Auslöser. [Dieser Ansatz] ... wird gewählt, da ein starker Anstieg der nationalen Erwerbslosenquoten einen aussagekräftigen Indikator für die Auswirkungen eines großen asymmetrischen Schocks … darstellt.“  

 

Was die beiden auslösenden Faktoren sein werden, konkretisiert Artikel 4 des Entwurfs: die vierteljährliche Arbeitslosenquote hat a) die durchschnittliche Quote der letzten 15 Jahre überschritten und b) die Quote im Quartal des vorangegangenen Jahres um einen Prozentpunkt überschritten. Tritt ein solcher Fall ein, so wird die EU mit einem im Ergebnis zinslosen Darlehen einspringen, das nach Möglichkeit irgendwann einmal wieder zurückgezahlt werden sollte, je nach den mit der Kommission ausgehandelten Bedingungen und Konditionalitäten. 

Wie geht es weiter?

Erwägungsgrund 33 des Vorschlags schaut bereits in die Zukunft und kündigt an, dass der EISF nur als „erster Schritt zur allmählichen Entwicklung eines umfassenden Versicherungsmechanismus zur Gewährleistung gesamtwirtschaftlicher Stabilisierung“ betrachtet wird. 

 

Finanzminister Olaf Scholz hat bereits seine prinzipielle Unterstützung signalisiert. Dabei geht es allerdings nicht – entgegen manchen Äußerungen in der Presse – um eine „Ergänzung der nationalen Systeme der Arbeitslosenversicherung“. Jedoch können die zusätzlichen EISF-Mittel nicht beliebig verwendet werden, sondern müssen in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen einfließen.