Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) fordert mehr Unterstützung für betroffene Frauen und Mädchen.

SW – 08/2018

Die Situation von Frauen mit Behinderungen ist nicht nur schlechter als die von Frauen ohne Behinderung, sondern auch schlechter als die von Männern mit Behinderungen. Frauen und Mädchen mit Behinderungen seien nach wie vor mehrfacher Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Behinderung ausgesetzt (siehe auch Bericht 9/2017). Etwa 40 Mio Frauen und Mädchen europaweit seien hiervon betroffen. Dies entspreche einem Anteil von 16% der Gesamtbevölkerung. So betrage beispielsweise die Erwerbsquote von Frauen mit Behinderungen nur 18,8%, während sie sich für Männer mit Behinderungen auf 28,1% belaufe. 

Aktueller Rechtsrahmen

Sowohl der EU als auch den Mitgliedstaaten fehle es derzeit an einem soliden Rechtsrahmen, um die Menschenrechte aller Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu schützen und zu gewährleisten, und das obwohl die EU und ihre Mitgliedstaaten Vertragspartei der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen seien.  

 

In Artikel 6 der Konvention werde anerkannt, dass Frauen und Mädchen mit Behinderung mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt und insofern Maßnahmen zu ergreifen seien, um zu gewährleisten, dass sie Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und gleichberechtigt genießen können. 

 

Auch weitere Regelungen verpflichten die EU und ihre Mitgliedstaaten einer Diskriminierung von Frauen mit Behinderungen entgegen zu wirken. So seien alle Mitgliedstaaten der EU Vertragsstaaten des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, von dem auch Frauen und Mädchen mit Behinderungen profitieren sollten.  

 

Ferner verpflichtet Artikel 10 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die EU dazu, bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen darauf abzuzielen, Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts oder einer Behinderung zu bekämpfen. Und auch Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) verbietet die Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Durch Artikel 26 der Charta erkennen die EU und ihre Mitgliedstaaten den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft an. 

Empfehlungen des EWSA

Der EWSA fordert in seiner Stellungnahme vom 11. Juli 2018 „Die Situation von Frauen mit Behinderungen“ (SOC/579) die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die Diskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen aktiver zu bekämpfen. 

 

So werden die EU und ihre Mitgliedstaaten aufgefordert, das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Empfehlungen in Bezug auf Frauen und Mädchen mit Behinderungen, die die EU im Jahr 2015 vom Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen erhalten hat, und die Allgemeine Bemerkung Nr. 3 dieses Ausschusses zu Artikel 6 der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. 

 

Sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene sollen nach Vorstellung des EWSA Maßnahmen ergriffen werden, um einen strukturierten Dialog einzurichten. Hierfür soll ein eigenes Budget mit ausreichenden Mitteln vorgesehen werden. Dieses soll eine angemessene Konsultation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Frauen und Mädchen mit Behinderungen, über ihre Vertretungsorganisationen gewährleisten, um die Umsetzung und Überwachung der UN-Behindertenrechtskonvention sicherzustellen. 

 

Die derzeitigen und künftigen Finanzierungsinstrumente der EU, insbesondere die Strukturfonds und der Europäische Sozialfond, sollen auch eingesetzt werden, um die Mitgliedstaaten bei der Förderung von Barrierefreiheit und Nichtdiskriminierung in Bezug auf Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu unterstützen.  

 

Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden aufgefordert, im Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul) beizutreten. Sexuelle und andere Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen soll unter Strafe gestellt und die Zwangssterilisierung beendet werden.  

 

Ferner sollen die EU und ihre Mitgliedstaaten alle Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu einer barrierefreien Gesundheitsversorgung sowie zu allgemeinen Gesundheitsdiensten haben. Frauen und Mädchen mit Behinderungen müssten in der Lage sein, ihre Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit auszuüben, indem sie ihre eigenen Entscheidungen, oder auf Wunsch auch mit Unterstützung, über medizinische Behandlungen treffen. 

Nächste Schritte

Der EWSA schlägt in seiner Stellungnahme vor, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten eine umfassende Kampagne entwickeln, um auf die UN-Behindertenrechtskonvention und die UN-Frauenrechtskonvention aufmerksam zu machen, für die Situation von Frauen mit Behinderungen zu sensibilisieren und Vorurteile gegenüber Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu bekämpfen. 

 

Die Stellungnahme wurde auf Ersuchen des Europäischen Parlaments erarbeitet und soll in den Bericht zum Thema Frauen mit Behinderungen einfließen, den das Europäische Parlament im Herbst verabschieden wird. 

 

Zur Meldung des EWSA.