Ein Bericht fasst Auswirkungen auf die Gesundheit und die Sozialsysteme zusammen und zeigt politische Handlungsfelder auf.

CH – 11/2019

Der demografische Wandel mit einer alternden Bevölkerung und längerer Lebenserwartung setzt die sozialen Sicherungssysteme, insbesondere die Alterssicherungssysteme, unter Druck. In vielen Ländern wurde daraufhin das reguläre Rentenalter angehoben und Hürden für einen vorzeitigen Ruhestand erhöht. Erklärtes Ziel ist dabei, die Menschen länger im Erwerbsleben zu halten.

Das Europäische Observatorium für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik hat sich in dem Bericht „Working at older ages: Why it’s important, how it affects health, and the policy options to support health capacity for work” mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen längeres Arbeiten auf die Gesundheit hat, welche Auswirkungen sich daraus auf die sozialen Sicherungssysteme ergeben, was getan werden kann, damit die Menschen auch im Alter gesund arbeiten können und welchen Einfluss die Politik hier nehmen kann.

Länger leben = länger gesund?

Die gestiegene Lebenserwartung hat kaum oder keine Auswirkungen auf die Morbidität der Menschen. Der Eintritt in den Ruhestand geht in der Regel mit einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation einher. Länger arbeiten zu müssen kann zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen. Es sollten daher unbedingt die möglichen sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Kosten berücksichtigt werden, die mit einem späteren Renteneintritt verbunden sind. Eine einseitige Fokussierung auf einen späteren Renteneintritt könnte ansonsten leicht das Gegenteil des beabsichtigten stabilisierenden Effekts bewirken.

Beschäftigte müssen also gesundheitlich in der Lage sein, länger zu arbeiten. Ein großes Hindernis bei der Umsetzung von Maßnahmen ist die immer noch weitverbreitete, aber unzutreffende Annahme, ältere Beschäftigte seien weniger produktiv. Von gesundheitsfördernden Maßnahmen am Arbeitsplatz würden daher in wesentlich stärkerem Umfang Jüngere profitieren, obwohl Ältere diese viel eher benötigten.

Arbeitsplatzbezogene Maßnahmen zeigen Wirkung, wenn es um die Erhaltung oder Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geht. Besonders wirksam sind multimodale Ansätze, die Beratung, Patientenaufklärung, Verhaltenstraining und Psychotherapie kombinieren, sowie die, die auch die Vorgesetzten mit einbinden und nicht nur einseitig auf den beziehungsweise die Beschäftigte fokussieren. Während solche Maßnahmen bei Erkrankungen des Bewegungsapparates positive Effekte haben, ist dies bei psychischen Erkrankungen kaum bis nicht feststellbar. Dabei geht ein Großteil der Erwerbsminderungsrenten auf psychische Erkrankungen zurück. Die Politik könnte Rahmenbedingungen schaffen, die eine bessere Gesundheitsversorgung bei psychischen Erkrankungen ermöglicht.

Während ältere Beschäftigte eher nicht von staatlichen Regularien profitieren, die zum Beispiel die Beschäftigung eines bestimmten Anteils behinderter Menschen im Betrieb vorschreiben, können Regelungen den Verbleib oder die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit fördern, die auf Integration setzen. Dies kann durch Rehabilitation, Förderung von Maßnahmen am Arbeitsplatz oder aber auch die Möglichkeit geschehen, Sozialleistungen neben Arbeitsentgelt beziehen zu können.

Ältere Beschäftigte haben ein großes wirtschaftliches Potenzial. Es sollte ihnen durch klare rechtliche Rahmenbedingungen ermöglicht werden, von Arbeitsplatzprogrammen und Maßnahmen zu profitieren, die sie bei der Aufrechterhaltung ihrer Produktivität unterstützen und gleichzeitig ihre körperliche und geistige Gesundheit fördern.