OXFAM kritisiert Einseitigkeit der COVID-19 Hilfen

Dr. S-W – 09/2020

„In den Zeiten der Verzweiflung werden die Reichen Reicher, die Profite profitabler“. Das ist eine der wichtigsten Schlussfolgerungen der britischen Nichtregierungsorganisation OXFAM in einer sehr ausführlichen Studie unter dem Titel „Power, Profits and the Pandemic“ vom September.

Die Nichtregierungsorganisation übt Kritik am Verhalten großer multinationaler Unternehmen, die in der Corona-Krise massenhaft Menschen entlassen, die Lasten von Produktions- und Nachfrageausfällen in den Lieferketten nach unten an die Schwächsten weitergeben, Gewinne ausschütten und bei alledem gerne staatliche Corona-Hilfen einfordern und entgegennehmen. Auch wenn dies nicht immer zusammenfällt, so gibt der Bericht doch einen guten Überblick über die „Gewinner“ und „Verlierer“ in der Krise weltweit. Er beginnt mit den massiven Gewinnausschüttungen seit Januar: Microsoft 21 Mrd. US$, Google 15 Mrd. US$, Toyota 200%, gemessen an seinen Profiten der letzten 6 Monate, und BASF sogar 400%. Das Phänomen, dass die Giganten in der Krise mehr Gewinne ausschütten als sie verbuchen können, kann man auch an den 25 profitabelsten multinationalen Unternehmen des S&P Global 100 Index beobachten. Man rechnet damit, dass sie im Rechnungsjahr 2020 fast 380 Mrd. US$ an ihre Aktionäre ausschütten werden – das sind 124% ihrer Nettogewinne, verglichen mit 103% bevor der Krise.

Viele Unternehmen gehen gestärkt aus der Krise hervor: 32 der weltweit größten Unternehmen werden bis Ende 2020 wohl 109 Mrd. US$ mehr Gewinn machen als in den Vorjahren, und es wird erwartet, dass sie 88% davon an ihre Aktionäre ausschütten. Zu den Gewinnern gehören auch die Pharma-Giganten. Es wird erwartet, dass die sechs Größten von ihnen im laufenden Jahr 12 Mrd. US$ mehr verdienen werden als in den Vorjahren. Und die 25 reichsten Milliardäre schafften es, ihr Vermögen allein zwischen Mitte März und Ende Mai um 255 Mrd. US$ zu vermehren.

Auf der anderen Seite schütten gewisse Konzerne Gewinne aus, die sie jedenfalls im laufenden Jahr überhaupt nicht erzielt haben: Eine Reihe von Erdöl- und Gas-Magnaten wie z.B. Exxon Mobil haben  von Januar bis Juli Verluste in Höhe von zusammen fast 62 Mrd. US$ eingefahren – und dennoch im  selben Zeitraum zusammen 31 Mrd. US$ an ihre Aktionäre ausgeschüttet.

An der Praxis der Gewinnausschüttung übt OXFAM massiv Kritik, da diese im Wesentlichen den Wohlabenden zugutekommt. Die Investoren verließen sich – nicht zu Unrecht – darauf, dass große Unternehmen in der Krise gerettet würden, ganz im Gegensatz zu vielen Kleinunternehmen, die am härtesten von der Krise getroffen seien.

Besondere Kritik übt OXFAM an Unternehmen, die von Rettungshilfen profitieren und gleichzeitig hohe Gewinne ausschütten. An prominenter Stelle stünden BASF und Bayer. Sie hätten 1 Mrd. bzw. 600 Mio. UK Pfund erhalten, aber 2,75 Mrd. bzw. 3,03 Mrd. € an Dividendenauszahlung beschlossen. Weltweit wurden weitere ähnliche Beispiele nachgewiesen, auch in Europa, und teilweise auch einhergehend mit Entlassungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Viele US-amerikanische Unternehmen, die hohe staatliche Unterstützungsleistungen (jeweils mehr als 4 Millionen US$) erhielten, zeichneten sich dadurch aus, dass sie im vorangegangenen Jahr keine Unternehmenssteuern gezahlt hatten.         

Immerhin blieben die Regierungen nicht völlig untätig. So haben die USA und Frankreich wenigstens temporär einem Aktienrückkauf einen Riegel vorgeschoben, wenn Unternehmen Staatskredite erhielten. Ein solcher Rückkauf ist eine beliebte Methode zur Pflege des Aktienkurses.

Der Bericht geht darüber hinaus auf weltweit bedenkliche Entwicklungen beim Arbeitsschutz ein. Unternehmen würden immer wieder ihre Beschäftigten in unverantwortlicher Weise COVID-19 bedingten Gesundheitsrisiken aussetzen. Erwähnt werden das Bergbau-Gewerbe, aber auch Lebensmittel-Einzelhändler, Call-Zentren und Bekleidungshersteller. Besonderen Gefahren seien weltweit Wander- und Saisonarbeitnehmer ausgesetzt, etwa auf dem Bau, in der Landwirtschaft und in der Fleischverarbeitung, oft zurückzuführen auf schlechte und überfüllte Wohnunterkünfte. Trotz erheblicher Gesundheitsrisiken hätten sich Unternehmen in den betroffenen Branchen erfolgreich gegen Schließungen zur Wehr gesetzt. In einzelnen Fällen hätten betroffene Unternehmen sogar Lobby-Arbeit geleistet, um Politik und Regierungen von der Notwendigkeit einer Lockerung von Sicherheitsvorschriften zu überzeugen. 

Zwar müssten die oben dargestellten „Zahlen“ gewiss in einen größeren Kontext gestellt werden, und sie mögen in Einzelfällen tendenziös sein. Dennoch legt die Nichtregierungsorganisation den Finger auf eine Wunde: die oft mangelnde Transparenz beim Einsatz öffentlicher Mittel zur Rettung großer Unternehmen in der COVID-19 Krise. Es handelt sich im Wesentlichen um Mittel, die sich die Staaten und die EU erst noch am Kapitalmarkt beschaffen müssen - gegen Zinsen.