Deutsche Sozialversicherung zur Zukunft von Solidarität und Verantwortung zwischen den Generationen.

Dr. S-W – 04/2021

Im Zusammenhang mit ihrem Grünbuch zum Thema „Altern“ vom 17. Januar 2021 hat die Europäische Kommission eine breit angelegte Konsultation durchgeführt. Mit Hilfe von 17 Fragen will sie die Meinung der Öffentlichkeit zur Förderung von Solidarität und Verantwortung zwischen den Generationen in Erfahrung bringen. Hierzu hat die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung am 21. April 2021 ihre Position veröffentlicht. Die Stellungnahme finden Sie hier.

Die Spitzenorganisationen begrüßen die mit dem Grünbuch europaweit angestoßene Grundsatzdebatte über die Herausforderungen und Chancen des Alterns. In ihrer Antwort gehen sie auf Fragen ein, die für die Träger der gesetzlichen Unfall-versicherung, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung von Relevanz sind.

Solidarität in einer alternden Gesellschaft

Solidarität ist der Kitt demokratischer Gesellschaften und wird unter anderem von den Eckpfeilern eines austarierten System zur Absicherung bei Krankheit, Arbeitsverlust, dem Ausstieg aus dem Arbeitsleben und bei Pflegebedürftigkeit getragen. Deutschland hat mit seinem Umlagesystem der sozialen Sicherheit eine gute Basis entwickelt. Vor allem im Bereich der Alterssicherung muss es das Ziel sein, zusätzliche Belastungen der Sicherungssysteme – z. B. durch die demografische Entwicklung – möglichst angemessen auf Beitragszahlende, Rentenbeziehende und den Staat zu verteilen.

Die Ausgestaltung des Solidaritätsprinzips in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung folgt den Grundsätzen: „Jung für Alt“, „Männer wie Frauen“ - jeder erhält gemäß seinem individuellen Bedarf die benötigten Leistungen und dies unabhängig von seinem Beitrag und unabhängig vom individuellen oder gruppenspezifischem Risiko.

Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit

Lebenslanges Lernen ist essenziell zur Bewältigung der Herausforderungen, die der demografische Wandel (auch) für das Erwerbsleben mit sich bringt. Beschäftigte aller Altersgruppen müssen in der sich rasant wandelnden Arbeitswelt umorientieren und zum Teil gänzlich neu lernen. Die Entwicklung digitaler Kompetenz hängt dabei weniger vom Alter als von einer digitalen Affinität ab. Somit beeinflussen vorrangig die Qualität und die Passgenauigkeit von Lehren und Lernen, ob die Erwerbstätigen ihre Aufgaben dauerhaft kompetent und zuverlässig erfüllen können. Die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit sollte über das gesamte Arbeitsleben durch geeignete Gestaltungskonzepte unter Berücksichtigung sich ändernder Leistungskapazitäten unterstützt werden. Wichtig ist, dass auch die Bedarfe und Bedürfnisse der älteren Beschäftigten berücksichtigt werden und diese nicht aufgrund von Stereotypen/Altersdiskriminierung ausgeschlossen werden.

Ganz entscheidend ist der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von im Durchschnitt älter werdender Belegschaften. Es ist ein Arbeitsumfeld zu schaffen, welches den beruflichen Bedürfnissen der Menschen entspricht und eine lange Teilnahme am Arbeitsmarkt ermöglicht. Eine an der Lebensphase und dem Lebensalter orientierte Organisation und Gestaltung der Arbeit, z. B. durch Arbeitszeitmodelle sowie eine an das Alter anpassbare Arbeitsplatzgestaltung, spielen eine entscheidende Rolle.

Beschäftigte, die in ihrem Beruf starken physischen und/oder psychischen Belastungen ausgesetzt sind, können ihren Beruf nicht in jedem Fall bis zum Eintritt in die Rente ausüben. Daher sollte den von einer Berufskrankheit betroffenen Beschäftigten frühzeitig die Perspektive eines Berufswechsels aufgezeigt werden. Der „neue“ Beruf sollte weniger oder andere Belastungen aufweisen, aber möglichst auf einer ähnlichen Qualifikations- und Hierarchiestufe angesiedelt sein. Wegweisend in dieser Richtung wäre es, die Betriebe, aber auch die einzelne Person, auf Programme zur Verminderung erster gesundheitlicher Beeinträchtigungen und zur Teilhabe am Arbeitsleben hinzuweisen.

Bekämpfung von Altersarmut

Das Risiko der Armut im Alter kann als Folge unterbrochener oder unvollständiger Erwerbskarrieren und der Ausweitung von Beschäftigungsverhältnissen im Niedriglohnsektor zunehmen. Deshalb sollten – als Maßnahmen zur Vermeidung von Altersarmut – die Schaffung bzw. Ausweitung von Anreizen und Möglichkeiten zur Verstetigung und Ausweitung der Beschäftigung Priorität haben und das Angebot von Arbeitsplätzen mit ausreichendem Lohn gestärkt werden. Entscheidend ist auch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Sollte all dies nicht ausreichen, bieten sich unterschiedliche Antworten zur Bekämpfung von Altersarmut, entweder in den Rentensystemen selbst oder in den nachrangigen, bedürftigkeitsgeprüften Sozialhilfesystemen. Zu angemessenen Renten trägt im Übrigen bei, dass Zeiten der Kindererziehung bzw. der Pflege bei der Rente berücksichtigt werden.

Aber auch Zusatzrenten spielen eine große Rolle zu Erreichung eines angemessenen Sicherungsniveaus, wenn sie ein vergleichbares Maß an Sicherheit und Verlässlichkeit aufweisen wie die staatlichen Regel-Sicherungssysteme.

Leben in Würde bei Pflegebedürftigkeit

Im Falle eines Unterstützungs- bzw. Pflegebedarfs sollten Leistungen bereitgestellt werden, die Lösungen für ein größtmögliches eigenständiges Leben anbieten. Der Sozialversicherung kommt hierbei eine herausragende, aber keine alleinige Rolle zu. Sie kann aber dennoch, wie in Deutschland die Pflegeversicherung, dem Menschen Wahlmöglichkeiten eröffnen.