Solidarische Elemente sollen erhalten bleiben, aber Zinsrisiken tragen Versicherte

VS – 09/2022

Vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft und dauerhaft niedriger Zinsen hat das niederländische Parlament (zweite Kammer) eine Reform der Betriebsrenten beschlossen, die am 1. Januar 2023 in Kraft treten soll. Danach werden die derzeit leistungsorientierten Betriebsrenten in beitragsorientierte Betriebsrenten umgewandelt. Die vollständige Umsetzung soll bis zum Jahr 2027 abgeschlossen sein.

Gründe für die Reform

Die betriebliche Altersvorsorge ist in den Niederlanden weit verbreitet. So verfügen ungefähr 89 Prozent der Beschäftigten über Anwartschaften auf eine Betriebsrente (OECD (2021): Pensions at a Glance). Das Betriebsrentensystem basiert primär auf leistungsorientierten Rentenzusagen. Dabei handelt es sich um bedingte Leistungszusagen. Die Versicherten erwerben Rentenansprüche, die an die Lohn- oder Preis-Entwicklung angepasst werden. Dies steht unter dem Vorbehalt der Finanzlage des jeweiligen Fonds. Unter extremen Umständen können die Rentenzahlungen somit auch gekürzt werden.

Dies ist seit 2010 bei einigen Betriebsrenten auch geschehen. Andere konnten nur durch eine kurzfristige Lockerung bei den Solvabilitätsanforderungen – also der Eigenmittel – eine Kürzung vermeiden. Vor diesem Hintergrund haben sich die niederländische Regierung und die Sozialpartner im Sommer 2020 auf die Eckpunkte einer grundlegenden Reform der Betriebsrenten geeinigt.

Der neue Betriebsrentenvertrag – nieuwe pensioencontract

Um den bisherigen kollektiven Charakter der Betriebsrenten auch in einem beitragsdefinierten System beizubehalten, wurde der "neue Rentenvertrag" (NPC) entworfen. Wesentliches solidarisches Element ist dabei die "Solidaritätsreserve". In diese Reserve zahlen alle Beitragszahlenden einen festen Anteil (bis zu maximal zehn Prozent) ihrer Betriebsrentenbeiträge ein. Damit sollen beispielsweise Schocks auf den Finanzmärkten generationenübergreifend abgefedert werden. Dagegen wird das Niedrigzinsrisiko nicht mehr zwischen den Generationen ausgeglichen. Gerade die lange Niedrigzinsphase und die damit einhergehenden Schwierigkeiten der Betriebsrentensysteme bei der Erfüllung ihrer Rentenzusagen waren der wesentliche Anlass für die Betriebsrentenreform.

Herausforderung: Umstellung von leistungsorientierten zu beitragsdefinierten Betriebsrenten

Bis zum Jahr 2027 soll die vollständige Umstellung auf beitragsdefinierte Betriebsrenten erfolgt sein. Dies ist weltweit ein Novum. Bisherige Reformen sahen meist über einen längeren Zeitraum ein Nebeneinander von alten und neuen Verträgen vor. Nur Anwartschaften von jungen Versicherten wurden umgehend umgewandelt. In den Niederlanden haben die Sozialpartner hierzu vereinbart, dass diese Umwandlung generationengerecht erfolgen soll. Die in der Vergangenheit erworbene Anwartschaften werden hierzu bewertet und in individuelle Kapitalkonten überführt. Allerdings zeigen Modellierungen, dass unterschiedliche Bewertungsverfahren zu stark abweichenden Ergebnissen bei der Generationengerechtigkeit führen. 

Aktuelles Zinshoch löst Diskussionen aus

Das aktuelle Zinshoch hat in den Niederlanden im Vorfeld der Entscheidung der ersten Kammer, vergleichbar dem Bundesrat in Deutschland, eine Diskussion um die Umsetzung der im März 2022 vom niederländischen Parlament (zweite Kammer) beschlossenen Betriebsrentenreform ausgelöst.

Die Reform wurde ursprünglich vor dem Hintergrund dauerhaft niedriger Zinsen vereinbart. Die jetzt steigenden Zinsen führen nun jedoch zu höheren Renten und zu sinkenden Beiträgen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Allerdings sinkt in Folge der erhöhten Zinsen der Kapitalstock der Pensionsfonds. Denn die Pensionsfonds sind gesetzlich verpflichtet, einen erheblichen Teil in Anleihen anzulegen. Diese verlieren bei steigenden Zinsen jedoch an Wert. In der Folge würde eine erneute Niedrigzinsphase den Druck auf das bisherige leistungsdefinierte System nochmals erhöhen.

Der Vorsitzende des niederländischen Verbandes der Betriebsrentenfonds, Ger Jaarsma, hat daher die Branche und die Regierung aufgefordert, an der Reform festzuhalten. Ziel müsse sein, die Betriebsrentenfonds aus der Abhängigkeit von der Zinsentwicklung zu befreien.