DSV schlägt Streichung im Richtlinienentwurf vor

VS – 10/2022

Die Europäische Kommission hat am 23. Februar ein Maßnahmenpaket für eine „gerechte und nachhaltige Wirtschaft“ vorgelegt. Das Paket beinhaltet auch einen Richtlinienvorschlag über die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit (europäisches Lieferkettengesetz). Die EU möchte mit dem Richtlinienvorschlag ihre internationale Verantwortung wahrnehmen und Menschen- und Kinderrechte entlang globaler Lieferketten schützen sowie den Umweltschutz stärken.

Die DSV unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb und außerhalb der EU einen Zugang zu gesunden Arbeitsbedingungen haben und dass Kinder- sowie Zwangsarbeit weltweit abgeschafft werden sollen. Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission schließt allerdings nicht nur Unternehmen, sondern auch Rentenversicherungsträger in die Verpflichtungen mit ein.

Die gesetzlichen Rentenversicherungsträger sind jedoch Institutionen des Systems der sozialen Sicherheit und keine wirtschaftlichen Unternehmen im Sinne des EU-Rechts. Daher schlägt die DSV in einer aktuellen Stellungnahme vor, den Bezug auf die gesetzlichen Rentenversicherungsträger zu streichen.

Der Begriff "Unternehmen" in der europäischen Rechtsprechung

Im Richtlinienvorschlag werden die gesetzlichen Rentenversicherungsträger zu den Finanzunternehmen gezählt, die in den Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags fallen. Dies stellt eine Abkehr vom bisherigen Verständnis des Begriffs „Unternehmen“ auf europäischer Ebene und in der europäischen Rechtsprechung dar. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahr 1993 in seinem Urteil in der Rechtssache C-159/91 - Poucet und Pistre gegen AGF und Cancava festgestellt, dass „der Begriff des Unternehmens im Sinne der Artikel 85 und 86 des [EWG]-Vertrags keine Organisationen umfasst, die mit der Verwaltung von Systemen der sozialen Sicherheit beauftragt sind". Dieses Urteil wurde in der nachfolgenden Rechtsprechung des EuGH mehrfach bestätigt, zuletzt im Juni 2020 im Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-262/18 P und C-271/18.

Solvabilität-II-Richtlinie schließt explizit Rentenversicherungen aus

Auch in anderen EU-Rechtsvorschriften sind die Rentenversicherungsträger aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen. So explizit in der Solvabilität-II-Richtlinie (Richtlinie 2009/138/EG). Dies gilt auch für EU-Rechtsvorschriften über die Berichtspflicht von Unternehmen. So schließt die diesbezügliche Richtlinie 2013/34/EU über den „konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen“ Altersversorgungssysteme aus, die als Sozialversicherungssysteme gelten.

Streichung der Einbeziehung der Rentenversicherung

Sinn und Zweck der Einbeziehung der gesetzlichen Rentenversicherungsträger in den Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlag erschließt sich nicht. Die gesetzlichen Rentenversicherungsträger sind keine Unternehmen im Sinne des gültigen Verständnisses des EU-Rechts. Auch unterliegen auf dem Kapitalmarkt in allen Mitgliedsstaaten der EU die Anlagemöglichkeiten von Finanzmitteln der gesetzlichen Rentenversicherungsträger einer strikten gesetzlichen Reglementierung sowie engen Kontrollen. Daher schlägt die DSV in ihrer Stellungnahme die Streichung des Bezugs auf die gesetzlichen Rentenversicherungsträger in Artikel 3 (a) IV des Richtlinienvorschlags vor. Der Richtlinienvorschlag wird gegenwärtig im Rat und dem Europäischen Parlament beraten.