Eine gute Pflege braucht vor allem viele gute Leute

UM – 10/2022

Im September dieses Jahres hat die Europäische Kommission ihre Pflegestrategie vorgestellt. Der Zugang und die Qualität der Pflege sollen in den Ländern der Europäischen Union (EU) deutlich verbessert werden. Ein wesentlicher Schlüssel dafür ist, mehr Menschen für eine Tätigkeit im Pflegesektor zu gewinnen. Denn der demografische Wandel sorgt dafür, dass immer mehr Menschen länger und gesünder leben und die Nachfrage nach Pflegeleistungen exponentiell steigt. In ihrer Mitteilung vom 7. September macht die Europäische Kommission deutlich, wo ihrer Meinung nach die Hebel anzusetzen sind.

Das Paket umfasst neben der Mitteilung der Europäischen Kommission einen Vorschlag für eine Ratsempfehlung zur Überarbeitung der Barcelona-Ziele zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung und einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über den Zugang zu bezahlbarer und hochwertiger Langzeitpflege.

Kinderbetreuung erleichtern

Mit ihrem Vorschlag für eine Ratsempfehlung zur Überarbeitung der Barcelona-Ziele soll darauf hingewirkt werden, bestehende Defizite im Bereich der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung zu beseitigen. Das Ziel ist, die Bedingungen für eine bestmögliche Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu schaffen. Denn die Verfügbarkeit solcher Angebote ist einer der Hauptfaktoren für die Erwerbsbeteiligung von Frauen. Laut dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) stehen knapp acht Millionen Frauen in Europa aufgrund von Betreuungsaufgaben dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Die Länder sollen die Betreuungsangebote so ausbauen, dass bis zum Jahr 2030 mindestens 50 Prozent der Kinder unter drei Jahren und mindestens 96 Prozent der älteren Kinder bis zum Einschulungsalter einen Betreuungsplatz finden.

Mehr Männer in die Pflege

Mit ihrem Vorschlag für eine Ratsempfehlung über den Zugang zu bezahlbarer und hochwertiger Langzeitpflege (SWD(2022) 441 final) zielt die Kommission konkret auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege. Nach wie vor bestreiten Frauen den Hauptteil der Pflege und dies zumeist informell, also unbezahlt. Die Europäische Kommission zielt deshalb mit ihren Vorschlägen auch darauf ab, Pflegepersonen besser zu unterstützen und insbesondere auch mehr Männer für den Pflegesektor zu gewinnen. Für angemessene Löhne und gute Arbeitsbedingungen soll der soziale Dialog gefördert werden. Beim Gesundheitsschutz auf der Arbeit sollen höchste Standards gelten, Weiterbildungsangebote sollen Berufsperspektiven eröffnen.

Nationale Aktionspläne erforderlich

Die Länder sollen nationale Aktionspläne aufstellen, um die Verfügbarkeit, die Zugänglichkeit und die Qualität der Pflege EU-weit zu verbessern. Diese sollen der Kommission innerhalb von zwölf Monaten nach Annahme der Empfehlung vorgelegt werden. Die Mitgliedstaaten sollen darin Maßnahmen vorsehen, damit pflegebedürftige Menschen umfassende und hochwertige Pflegeleistungen erhalten können, die auch bezahlbar sind. Neben einem ausreichenden Angebot an Pflegediensten zählt hierzu auch die Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung der Pflege. Hierfür stehen auch EU-Mittel bereit, unter anderem aus der Aufbau- und Resilienzfazilität, dem Fonds für regionale Entwicklung oder dem Europäischen Sozialfonds Plus. Aber auch die Mitgliedstaaten werden investieren müssen.  

Bessere Übersicht und solide Governance

Langzeitpflege ist in vielen Ländern der EU fragmentiert, die Zuständigkeiten sind unterschiedlich verortet und finden sich auf lokaler, regionaler sowie nationaler Ebene. Eine Transparenz über das Pflegegeschehen wird auch durch die Verwendung unterschiedlicher Indikatoren erschwert. Kosteneffizientes Handeln ist so kaum möglich. Die Mitgliedstaaten sollten deshalb eine solide Governance in der Langzeitpflege sicherstellen, so unter anderem durch die Ernennung einer zuständigen Person für die nationale Koordination.

Die Ratsempfehlungen der Europäischen Pflegestrategie sollen im Rat noch in diesem Jahr beschlossen werden und stellen den Mitgliedstaaten ein Soft-Law-Instrument zur Verfügung, in dessen Rahmen sie auf die Herausforderungen der älter werdenden Gesellschaften Europas reagieren können.