Verbesserte Verfügbarkeit und Versorgung von Arzneimitteln für Versicherte sowie Sicherstellung von nachhaltigen Gesundheitssystemen

CC – 10/2023

Mit der Reform des europäischen Arzneimittelrechts möchte die Europäische Kommission den Zugang, die Bezahlbarkeit und die Verfügbarkeit von Arzneimitteln in der Europäischen Union (EU) sichern und stärken. Es sollen alle Patientinnen und Patienten in der EU einen gleichberechtigen Zugang zu innovativen und sicheren Arzneimitteln haben – ganz egal, in welchen Mitgliedstaat sie wohnen. 


Die Deutsche Sozialversicherung (DSV) begrüßt in ihrer Stellungnahme die mit den Reformvorschlägen verfolgten Ziele der Europäischen Kommission. Zur Sicherstellung von finanziell nachhaltigen und belastbaren Gesundheitssystemen, der Verfügbarkeit von Arzneimitteln mit nachweislich hohem Nutzen sowie einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Versicherten sind aus Sicht der DSV allerdings Nachbesserungen an den Regelungsvorschlägen notwendig. Die aktuellen Fortschritte in der Medizin bieten große Chancen für Patienten und unsere Gesellschaft. Gleichzeitig muss aber sichergestellt werden, dass neue Therapien auch beweisen, dass sie wirklich innovativ sind. Die Solidargemeinschaft darf nicht durch Ausgaben belastet werden, die den Patientinnen und Patienten keinen tatsächlichen Nutzen bringen.

Regulatorischer Schutz und Patentschutz verkürzen

Die Kommission schlägt ein differenziertes Anreizsystem für Pharmaunternehmen vor, indem sie die regulatorischen Schutzfristen an Bedingungen geknüpft und zudem den Datenschutz von acht auf sechs Jahre reduziert. Das ist sinnvoll, allerdings ist bei 61 Prozent neuer Arzneimittel ist der längste effektive Schutz vor Wettbewerb durch das Patentrecht beziehungsweise durch ein ergänzendes Schutzzertifikat gegeben und nicht durch das Arzneimittelrecht. Aus Sicht der DSV sollte, um den preissenkenden Wettbewerb zu fördern, der regulatorische Schutz im Arzneimittelrecht auf maximal elf Jahre begrenzt und die Gültigkeitsdauer eines ergänzenden Schutzzertifikats (SPC) auf höchstens vier, statt fünf Jahre verkürzt werden. Auch bei Orphan-Arzneimitteln muss neben einer Senkung des regulatorischen Schutzes auch die Kriterien zur Festlegung einer seltenen Erkrankung verschärft werden.

Evidenzgenerierung bei bedingten Marktzulassungen stärken

Nicht nachvollziehbar sind Vorschläge, die auf schnellere Genehmigungen zu Lasten der Evidenz oder der Verlässlichkeit des Genehmigungsverfahrens setzen. Schnellere Marktzugänge stellen keinen Versorgungsvorteil dar, wenn durch nicht hinreichend in klinischen Studien geprüfte Arzneimittel Risiken auf die Patientinnen und Patienten verlagert werden. Es sollte Standard sein, dass alle Daten zur Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität eines Arzneimittels sowie alle notwendigen Unterlagen in einem förmlichen Zulassungsantrag zu Beginn einer Beurteilung vorgelegt werden. Hier muss es Nachschärfungen geben.

Liefer- und Versorgungsengpässe vermeiden

Um die Verfügbarkeit und die Versorgungssicherheit zu verbessern, macht die Europäische Kommission sinnvolle Vorschläge. Aus Sicht der DSV sollte das bestehende System zur Überwachung der Arzneimittel genutzt werden, um ein Monitoring zu etablieren, das zu jeder Zeit einen Überblick über die aktuelle Angebots-Nachfrage-Situation von Arzneimitteln ermöglicht. Engpässe gibt es zudem bei der Herstellung von Antimikrobiellen Mitteln. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen übertragbaren Marktexklusivitätsgutscheine („Voucher“) sind kein geeignetes Fördermittel für die Herstellung. Neben einer weitreichenden Kostenwirkungen, kann weder der Zugang noch die Markteinführung von wirksamen Mitteln mit neuen Wirkmechanismen gewährleistet werden. Nach Ansicht der DSV braucht es vielmehr gezielte Maßnahmen zur Förderung der Forschung; gegebenenfalls auch eine gemeinsame Beschaffung von Wirkstoffen.

Umweltverträglichkeit stärken

Die DSV unterstützt ausdrücklich die von der EU-Kommission vorgeschlagenen verbindlichen und umfassenden Regelungen hinsichtlich der Umweltverträglichkeit angesichts des Klimawandels und der zahlreichen ökologischen Herausforderungen für die Gesellschaft. Die Nutzen-Risiko-Abwägung von Arzneimitteln auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit in Bezug auf die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit sollte auch Umweltrisiken mit einbeziehen.


Die Position der DSV in Kürze finden Sie hier. Eine ausführliche Stellungnahme mit konkreten Änderungsvorschlägen senden wir Ihnen gerne bei Interesse zu.