Positionen zu Verordnungs- und Richtlinienentwurf gehen auseinander

CC – 10/2023

Rund sechs Monate nach Veröffentlichung der Gesetzentwürfe zur EU-Arzneimittelreform, haben Pernille Weiss (EVP, DK) und Tiemo Wölken (S&D, DE) ihre Berichtsentwürfe veröffentlicht. Die beiden Dokumente zum Verordnungs- und zum Richtlinienentwurf lassen bereits jetzt schon erahnen, wie schwierig die Verhandlungen im Europäischen Parlament zu dem Dossier werden, da die Blickwinkel der Berichterstatter sehr unterschiedlich sind. Der Berichtsentwurf von Pernille Weiss (EVP, DK) zum Richtlinienentwurf ist sehr industriefreundlich, während der Berichtsentwurf von Tiemo Wölken (S&D, DE) zum Verordnungsvorschlag ausgeglichener zu sein scheint.   

Voucher raus – Aufbau einer neuen European Medicines Facility

Erfreulich sind die Änderungsvorschläge im Bereich der Antimikrobiellen Resistenzen. Die übertragbaren Marktexklusivitätsgutscheine („Voucher“) werden gestrichen. Sie stellen auch aus Sicht des Berichterstatters Wölken eine indirekte und intransparente Form der Preisgestaltung dar, die unvorhersehbare Kosten für die nationalen Gesundheitsbudgets verursacht und den Markteintritt von Generika zum Nachteil der Patientinnen und Patienten verzögern. Auch die DSV hatte sich gegen die Voucher ausgesprochen. Stattdessen schlägt Wölken die Einführung einer neuen EU-Behörde ‘European Medicines Facility’ (EMF) vor. Die EMF soll spezifische zweckgerichtete Forschungs- und Entwicklungs-Projekte festlegen, die sich auf gesundheitliche Prioritäten im öffentlichen Interesse auf Unionsebene konzentrieren, vor allem dort, wo der private Sektor keine Forschung und Entwicklung antreibt.


Weitere Änderungsvorschläge, die auch der DSV-Position entsprechen, sind die Stärkung der Evidenzgenerierung bei den Zulassungsverfahren, die Streichung der Regulatory Sandbox sowie die strengere Differenzierung der Marktexklusivität für Arzneimittel für seltene Leiden („Orphan Drugs“).

Verlängerung des Unterlagenschutzes – Kein EU27 Zugang

Aus Sicht der Kostenträger ist der Vorschlag von Berichterstatterin Pernille Weiss zur Verlängerung des Unterlagenschutzes nicht erfreulich. Statt sechs Jahre, wie sie die Europäische Kommission vorgeschlagen hat, spricht sich Weiss für einen Unterlagenschutz auf neun Jahre aus. Dadurch würde der Wettbewerb durch kostengünstigere Generika und Biosimilars später einsetzen. Dies führt zu höheren Arzneimittelpreisen und würde die Krankenversicherungssysteme in den Mitgliedstaaten finanziell stärker belasten. Zudem streicht Weiss das von der Europäischen Kommission gestaffelte Anreizsystem, indem der Marktzugang von Arzneimittel in allen 27 EU-Mitgliedstaaten mit Datenschutz belohnt werden soll. Stattdessen sollen die Mitgliedstaaten von sich aus verlangen können, dass ein Medikament auf ihren Markt gebracht wird.


Auch die Definition eines ungedeckten medizinischen Bedarfs, die Umweltprüfung und die „Bolar-Ausnahme“ wird im Berichtsentwurf von Weiss bedauernswerterweise abgeschwächt. Kritisch geprüft werden muss zudem ein Änderungsantrag von Wölken, der die Rolle der Lenkungsgruppe für Arzneimittelknappheit (MSSG) bei Lieferengpässen stärken sollen. Hier soll die MSSG auch Empfehlungen zu „Preisbildungsmechanismen und zu Kostendämpfungsmaßnahmen“ abgeben können. Die Preisgestaltung und Erstattung ist allerdings eine mitgliedstaatliche Kompetenz.

Ausblick

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben sich einen ambitionierten Zeitplan gesetzt. Sie möchten noch in dieser Legislatur, also spätestens im April eine Parlamentsposition zu dem umfangreichen Gesetzespaket erzielen. Offiziell werden die Berichtsentwürfe Anfang November im federführenden Ausschuss für Umwelt, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) erörtert. Änderungseinträge können bis Mitte November eingereicht werden.


Die DSV bringt ihre Positionen aus der DSV-Stellungnahme weiter ein. Der Berichtsentwürfe enthalten einige Vorschläge, die aus Sicht der DSV in die richtige Richtung gehen, allerdings muss an einigen Stellen noch nachgebessert werden, um die Sicherstellung von finanziell nachhaltigen und belastbaren Gesundheitssystemen, der Verfügbarkeit von Arzneimitteln mit nachweislich hohem Nutzen sowie einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Versicherten zu ermöglichen.