Monitoring der sozialen Lage in Europa
Sozialpolitische Analyse im Vorfeld des Europäischen Semesters.
VS – 10/2024
Der Ausschuss
für Sozialschutz (SPC) der Europäischen Kommission hat seinen Bericht zur Überprüfung der sozialen Leistungsfähigkeit in der Europäischen Union (EU)
vorgelegt. Als ein beratendes Gremium für die im Rat „Beschäftigung,
Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ (EPSCO) zusammenkommenden
Minister liefert er regelmäßig Informationen im Vorfeld der Meinungsbildung der
Ministerinnen und Minister. In dem aktuell vorgelegten Bericht analysiert der
SPC die soziale Lage in Europa, einschließlich der Fortschritte bei der
Verwirklichung des Ziels für 2030, die Armut und soziale Ausgrenzung um 15
Millionen Menschen zu verringern. Zudem werden die wichtigsten strukturellen und
sozialen Herausforderungen hervorgehoben, mit denen die einzelnen
Mitgliedstaaten konfrontiert sind. Thematischer Schwerpunkt in diesem Jahr ist
die Langzeitpflege. Mit dem Monitoring und den auf dieser Basis benannten
sozialen Herausforderungen und positiven sozialen Entwicklungen formulieren die
Sozialministerinnen und -minister ihren sozialpolitischen Input für den
Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum.
Monitoring der sozialen Leistungsfähigkeit
Bei
dem Monitoring werden die jährlich zu beobachtenden sozialen Trends, wie
beispielsweise der zur Anzahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung
betroffenen Menschen oder der Wirksamkeit von Sozialtransfers bei der Verringerung
der Armutsgefährdung, ermittelt und positive wie negative Entwicklungen
visualisiert. Der Schwerpunkt liegt hierbei sowohl auf den jüngsten Entwicklungen
als auch auf den Entwicklungen im Vergleich zu 2019. Dies ist das Ausgangsjahr
der im Rahmen des Aktionsplans
zur europäischen Säule sozialer Rechte vereinbarten Ziele bis 2030. Diese
Trends werden sowohl für ganz Europa abgebildet als auch in den Länderberichten für jedes Land dargestellt. Für die gesetzliche Sozialversicherung sind in
diesem Jahr insbesondere folgende Politikbereiche von Relevanz:
- Armut oder soziale Ausgrenzung sowie Ungleichheit,
- Wirksamkeit des Sozialschutzes.
- Rente,
- Langzeitpflege und
- Gesundheit.
Soziale Sicherungssysteme schützen, Krisen aber spürbar
Im
Bericht wird aufgezeigt, dass die sozialen Sicherungssysteme in den vergangenen
Jahren die Menschen in Europa erfolgreich vor den Auswirkungen der Krisen
geschützt und als wichtige Stabilisatoren die wirtschaftliche Entwicklung
gestützt haben. Die Auswirkungen der Krisen, insbesondere der sprunghafte
Anstieg der Inflation, haben aber Auswirkungen auf die materielle Lage der
Menschen. So konnten kaum Fortschritte beim gemeinsam vereinbarten Ziel, bis
zum Jahr 2030 die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffenen
Menschen um 15 Millionen zu verringern, erzielt werden. Auch verzeichnet etwa
ein Drittel der Länder – darunter auch Deutschland – einen Anstieg der
Menschen, die von schwerer materieller und sozialer Entbehrung betroffen sind.
Dies deutet auf eine Verschlechterung deren sozialer Lage im Jahr 2023 hin. In
diesem Zusammenhang wird im Länderbericht für Deutschland als sozialpolitische Herausforderung aufgeführt, dass die Anzahl
der von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffenen älteren
Menschen in den letzten Jahren stetig angestiegen ist. Hier sieht der Bericht
politischen Handlungsbedarf. Als weitere Herausforderung, der durch Maßnahmen
entgegengewirkt werden sollte, wird für Deutschland die niedrige
Lebenserwartung von 65-Jährigen benannt.
Schwerpunkt Langzeitpflege
Der
diesjährige Bericht hat als thematischen Schwerpunkt die Langzeitpflege. Dabei
nimmt der Bericht eine Bestandsaufnahme der Empfehlung
des Rates aus dem Jahr 2022 über den Zugang zu erschwinglicher,
hochwertiger Langzeitpflege vor. Die größten Herausforderungen betreffen die
Finanzierung der Langzeitpflege, aber auch die Verfügbarkeit von qualifizierten
Pflegekräften. Auch zeigt der Bericht, dass es große Unterschiede bei der
Qualität der Pflege bestehen und in einzelnen Ländern große territorialer
Ungleichheiten beim Zugang zu Pflegeleistungen bestehen. Im Bericht wird hierbei Deutschland für den guten
Zugang zur Langzeitpflege, vornehmlich häuslicher Pflege, hervorgehoben.
Hintergrund: Europäisches Semester
Der
Bericht des Sozialschutzausschusses und das darin enthaltene Monitoring der
sozialen Leistungsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten dienen der Vorbereitung des
Jahresberichts zum nachhaltigen Wachstum der EU. Dieser wird einmal im Jahr von
der Europäischen Kommission vorgelegt und leitet den jährlichen Zyklus des
Europäischen Semesters ein. Der jährliche Zyklus des Europäischen Semesters
beginnt jedes Jahr im November mit dem sogenannten Herbstpaket. Mit dem
Herbstpaket bietet die Europäische Kommission in einer Reihe von Veröffentlichungen
einen allgemeinen Überblick über die sozioökonomische Landschaft in den
Mitgliedstaaten und hebt die wichtigsten Prioritäten und Risiken für eine
nachhaltige sozioökonomische Entwicklung in der EU hervor.