Die EU will ein einheitliches digitales Portal für Entsendungen einrichten.

UM – 11/2024

Die Europäische Kommission hat am 13. November den Verordnungsvorschlag für ein einheitliches digitales Meldeportal veröffentlicht. Um dieses nutzen zu können, wird ein gemeinsames elektronisches Format und ein „Standardformular“ für Entsendeerklärungen entwickelt. Dieses soll in allen europäischen Amtssprachen verfügbar sein und von allen Unternehmen genutzt werden, die Personal vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsenden. Die Initiative ist ein Beitrag zum EU-Ziel, die Berichtspflichten der Unternehmen um 25 Prozent zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit der EU langfristig zu sichern. Mehr noch ist sie ein wichtiger Schritt, die Arbeitsschutzrechte in der EU besser durchzusetzen.

Entsendungen vereinfachen, Meldeaufwand senken

Mit dem neuen Meldeportal soll der Aufwand für die Unternehmen gesenkt und die Verwaltungsprozesse vereinfacht werden. Denn hinsichtlich der für die Entsendung einzuhaltenden Regeln und den einzureichenden Unterlagen unterscheiden sich die Anforderungen in den 27 Mitgliedstaaten erheblich. Die Regelungskomplexität schreckt nicht zuletzt Unternehmen vor grenzüberschreitenden Arbeitseinsätzen ab. Mit dem Vorschlag wird eine elektronische öffentliche Schnittstelle – also ein sicheres Webportal – eingerichtet. Dieses wird Teil des Binnenmarktinformationssystem (IMI), welches die nationalen Behörden schon heute für Auskunfts- und Amtshilfeersuchen nutzen. Da die Schnittstelle mehrsprachig ausgelegt sein wird, können Entsendeerklärungen in der eigenen Sprache abgegeben werden. Die Sprachbarriere wird überwunden.

Faire Mobilität sichern

Daneben soll die Einhaltung der EU-Vorschriften zur Entsendung verbessert werden. Erstens werden die zuständigen nationalen Behörden den entsandten Beschäftigten eine Kopie der Meldung übermitteln. Diese Möglichkeit gibt es im heutigen Meldesystem nicht und soll den entsandten Personen helfen, ihre Rechte wahrzunehmen. Zweitens können die Aufnahmemitgliedstaaten von den entsendenden Dienstleistungserbringern verlangen, dass sie die neue Schnittstelle nutzen, um die Entsendemeldungen an die zuständigen nationalen Behörden zu übermitteln. Dies soll zielgerichtete Kontrollen am Arbeitsplatz ermöglichen. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass sich durch die Vereinfachung des Verfahrens die Zahl der Verstöße gegen die Entsendevorschriften verringern und Schwarzarbeit besser bekämpft wird. Auch dies ist als Beitrag zum Schutz der Rechte entsandter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu werten.

Handlungsbedarf ist gegeben

Im EU-Binnenmarkt gibt es etwa fünf Millionen entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Tendenz steigend. Die Realität zeigt: Viele Menschen arbeiten grenzüberschreitend, ohne den ihnen zustehenden Arbeitnehmerschutz. Sei es im Güterverkehr, in der Lebensmittelindustrie oder in der Agrarwirtschaft. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Auf einer Podiumsveranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hessen/Thüringen und der Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union mit dem Titel „Freie Fahrt für Ausbeutung? Zum Schutz der Arbeitnehmerrechte im europäischen Güterverkehr“ im September dieses Jahres wurde sehr deutlich: Es mangelt weniger an Regelungen, es mangelt an ihrer Durchsetzung. Der vorliegende Vorschlag der Europäischen Kommission erscheint vor diesem Hintergrund ein Schritt in die richtige Richtung zu sein.

Gewerkschaften üben Kritik

Kritik kommt jedoch von den europäischen Gewerkschaftsverbänden. In einer Presseerklärung vom 13. November beklagen sie, dass der Gesetzesvorschlag einseitig die Reduzierung der Verwaltungslasten in den Blick nehmen würde. Die Gelegenheit, ein System einzuführen, das es sowohl den Arbeitgebern erleichtern würde, entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ordnungsgemäß zu registrieren, als auch den Arbeitsinspektoren, um die Arbeitnehmerrechte zu wahren, sei verpasst worden. Im Gegenteil: In seiner jetzigen Form würde der Vorschlag bestehende bewährte Verfahren für Systeme der Vorabanmeldung untergraben, die es in mehreren Mitgliedstaaten gäbe.

Zum Gesetzgebungsverfahren

Im Zuge der Gesetzesinitiative wird die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit, mit der das IMI im Jahr 2012 geschaffen worden ist, entsprechend angepasst. Die konkreten technischen Inhalte des Standardformulars zu Dienstleistungserbringer, entsandtem Beschäftigtem, Entsendungsauftrag, Dienstleistungsempfänger und der Kontaktperson für die zuständigen Behörden sollen in einem Durchführungsrechtsakt durch die Europäische Kommission bis Herbst 2025 festgelegt werden. Der bestehende EU-Rechtsrahmen für die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird nicht beeinträchtigt. Die Maßnahme wurde von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung vom März 2024 „Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel in der EU: ein Aktionsplan“ angekündigt. Die mit dem IMI verbundene öffentliche Schnittstelle soll den Mitgliedstaaten bis Ende 2025 online zur Verfügung gestellt werden.