
Zwangslizenzen für Arzneimittel
Parlament und Rat einigen sich auf Sonderregelungen im Krisenfall.
UM – 06/2025
Nach einem knappen Jahr Verhandlungen haben Rat
und Europäisches Parlament am 21. Mai eine vorläufige
Einigung über die Verordnung über die Vergabe von Zwangslizenzen für das
Krisenmanagement sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 816/2006 erzielt. Diese
hatte die Europäische Kommission noch ganz unter dem Eindruck der
Covid-19-Pandemie in einem Gesetzespaket zum Schutz des geistigen Eigentums am
27. April 2023 vorgeschlagen.
Worum geht es?
Im Kern geht es um die Frage, wann und unter
welchen Bedingungen ein Patent für ein Arzneimittel oder einen Impfstoff
genutzt werden kann, ohne dass der Rechteinhaber seine Genehmigung gegeben hat. Im Falle gesundheitlicher Bedrohungen soll die
Verfügbarkeit kritischer Produkte im Binnenmarkt gewährleistet werden, indem diese
durch andere Unternehmen als das des Patentinhabers hergestellt werden können.
Zwangslizenzen unionsweit regeln
Sofern das öffentliche Gesundheitsinteresse
höher bewertet wird als das Recht des geistigen Eigentums, können zukünftig entsprechende
Sondergenehmigungen durch die Europäische Kommission erteilt werden. Dies ist
derzeit nicht möglich, da die Vergabe von Zwangslizenzen auf Ebene der
Mitgliedstaaten geregelt ist. Zudem unterscheiden sich die nationalen
Regelungen. Im Falle grenzüberschreitender gesundheitlicher Krisen oder
Notfälle, die nach einer einheitlichen, abgestimmten Gegenreaktion verlangen,
ist dies kontraproduktiv. Zumal die Lieferketten häufig grenzüberschreitend
sind.
Auslöser einer Notlage
Mit ihrer vorläufigen Einigung schaffen Rat
und Parlament die Voraussetzung für einen EU-weiten Rahmen, der erst nach der
Aktivierung eines Notfall- oder Krisenmodus genutzt werden kann. Die
Rechtsinstrumente hierzu sind zum einen das Binnenmarkt-Notfall-
und Resilienzgesetz (IMERA), das unter anderem bei Naturkatastrophen
aktiviert werden kann. Der Notfall kann auch auf Grundlage der Verordnung
über schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren festgestellt
werden. Diese hält ein Maßnahmenbündel bereit, um Gefahren für die öffentliche
Gesundheit, die biologischen, chemischen oder umweltbedingten Ursprungs sind,
abzuwenden. Schließlich stützt er sich auf die Verordnung
über einen Rahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten
medizinischen Gegenmaßnahmen. Diese bildet einen Notfallrahmen für den Fall
einer gesundheitlichen Notlage mit dem Ziel, die Bereitstellung und den Zugang
zu krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen sicherzustellen.
Freiwillige Vereinbarungen haben Vorrang
Grundsätzlich bleibt es aber dabei, dass freiwillige
Vereinbarungen mit den Lizenzhaltern Vorrang haben. Erst in Fällen, in denen
sich Verhandlungen endlos zu strecken drohen oder das patenthaltende
Unternehmen nicht über die notwendigen Kapazitäten verfügt, die erforderlichen
Mengen eines kritischen Produkts herzustellen, oder aus sonstigen Gründen eine
freiwillige Vereinbarung nicht durchführbar ist, kann die Europäische
Kommission intervenieren. Die Zwangslizenz ist das letzte Mittel der Wahl, wenn
im Krisen- oder Notfall das öffentliche Interesse höher zu bewerten ist als das
private Schutzrecht des Patenthalters. Unabhängig davon ist aber eine
angemessene Vergütung zu gewähren. Geschäftsgeheimnisse müssen nicht
offengelegt werden.
Wie geht es weiter?
Die erzielte vorläufige Einigung zur Vergabe
von Zwangslizenzen muss nun von beiden Gesetzgebungsorganen gebilligt und
förmlich angenommen werden.