Empfehlungen an die Mitgliedstaaten können hilfreich sein. Konkrete Lösungen müssen aber auf nationaler Ebene gefunden werden.

IW – 05/2017

Die Europäische Kommission möchte, dass der Zugang zum Sozialschutz für alle Erwerbstätigen sichergestellt wird. Das hat sie in den vergangenen Monaten bereits mehrfach betont. In der am 26. April veröffentlichten Europäischen Säule sozialer Rechte hat sie deswegen auch die Empfehlung an die Mitgliedstaaten gerichtet, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unabhängig von der Art und Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses sowie unter vergleichbaren Bedingungen den Selbständigen das Recht auf angemessenen sozialen Schutz zu gewähren.  

 

Zur Konkretisierung dieses wesentlichen Bausteins der „Europäischen Säule sozialer Rechte“ hat sie unter anderem eine an die Allgemeinheit gerichtete Befragung durchgeführt (vgl. hierzu auch die Meldung "EU-Kommission will Zugang zum Sozialschutz verbessern"). Ziel dieser Konsultation ist es, zu diskutieren, wie eine EU-Maßnahme zur Gewährleistung eines Zugangs zu adäquatem Sozialschutz für Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und selbständigen Tätigkeiten aussehen könnte. In der Europäischen Union sind derzeit 15% der Erwerbsbevölkerung selbständig Erwerbstätige, 20-25% entfallen auf Menschen in atypischen Arbeitsverhältnissen. In vielen Mitgliedstaaten haben diese Menschen keinen ausreichenden Zugang zum Sozialschutz. 

 

Die Spitzenorganisationen der deutschen Sozialversicherung haben sich an dieser frühzeitigen Befragung mit einer Stellungnahme beteiligt und darin die aktuelle Debatte zur sozialen Absicherung verschiedener Formen der Erwerbstätigkeit begrüßt.  

Zum Kontext

Viele selbständig Erwerbstätige haben heute keinen ausreichenden Schutz durch die sozialen Sicherungssysteme, da sie von diesen nicht oder nur unzureichend erfasst sind. Dies gilt insbesondere für Personen mit niedrigem Erwerbseinkommen aus selbständiger oder scheinselbständiger Tätigkeit. Gleiches kann für Formen von Erwerbstätigkeit im Grenzbereich zwischen Selbständigkeit und Arbeitnehmereigenschaft gelten, die durch den technologischen Wandel entstehen. Als Folge könnten Sicherungslücken für die betroffenen Erwerbstätigen sowie zusätzliche Belastungen der staatlichen Fürsorgesysteme entstehen. 

Konkrete Lösungen müssen auf nationaler Ebene gefunden werden

Die Spitzenorganisationen der deutschen Sozialversicherung begrüßen die von der Europäischen Kommission angestoßene Diskussion zur Sicherstellung eines sozialen Schutzes für alle Erwerbstätigen und sehen die Konsultation mit ihrem speziellen Bezug auf atypische Beschäftigungsverhältnisse und selbständige Tätigkeiten als einen ersten Schritt hierzu. Auch wenn sich die Arbeitswelt und damit die Arbeitsverhältnisse im klassischen Sinne verändern, bleiben die Schutzbedürfnisse der Menschen die Gleichen, so dass hier Handlungsbedarf besteht. 

 

Nach Auffassung der deutschen Sozialversicherung sind jedoch die Mitgliedstaaten aufgerufen, innerhalb ihrer sozialen Sicherungssysteme auf nationaler Ebene zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln. Die konkrete Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme und ihre Anpassung an die sich wandelnde Arbeitswelt liegt – auch vor dem Hintergrund der Vielfalt und der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Systeme und unterschiedlicher sozialpolitischer Präferenzen – in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. 

Empfehlungen an die Mitgliedstaaten können hilfreich sein

In einem europäischen Binnenmarkt mit Freizügigkeit der Erwerbstätigen sollte den Herausforderungen jedoch auch gemeinsam begegnet werden können, allerdings nur im Rahmen der gegebenen Kompetenzaufteilung. Deswegen begrüßt die deutsche Sozialversicherung die Empfehlung der Europäischen Kommission zum „Zugang zu Sozialschutz“ im Rahmen ihrer Säule sozialer Rechte. Diese Empfehlung oder eine Förderung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten durch den Austausch bewährter Praktiken kann den Mitgliedstaaten bei der Entwicklung eines den dargestellten Herausforderungen angepassten Sozialschutzsystems als Hilfsmittel dienen.  

 

Die ausführliche Stellungnahme der deutschen Sozialversicherung ist hier verfügbar.