Feedback der Deutschen Sozialversicherung vom 8. Mai 2025
Sondierung der Europäischen Kommission zu einer EU-Bevorratungsstrategie
Vorbemerkung
Die Europäische Kommission beabsichtigt, am 25. Juni 2025 eine Bevorratungsstrategie vorzulegen. Eine innovative, bezahlbare, sichere und hochwertige Arzneimittel- und Medizinprodukteversorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen, ist eine gemeinsame Herausforderung in der Europäischen Union (EU). Veränderte geopolitische Rahmenbedingungen und Risiken durch Klimawandel und Umweltzerstörung erfordern ein Handeln in der europäischen Gesundheitspolitik.
Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas und zur Verringerung der Abhängigkeit von anderen Weltregionen bei der Produktion und Versorgung mit Arzneimitteln sind grundsätzlich zu begrüßen. Dazu gehört auch der Aufbau von Vorräten an versorgungskritischen Arzneimitteln, um die Krisenvorsorge und Resilienz der EU zu verbessern. Wir unterstützen daher die Vorschläge zum Ausbau der Bevorratung im Rahmen des Critical Medicines Act (CMA) und der angekündigten Bevorratungsstrategie.
Stellungnahme
Ziel der Bevorratungsstrategie sollte eine Absicherung der Verfügbarkeit von versorgungskritischen Arzneimitteln in grenzüberschreitenden oder mehrere Mitgliedstaaten betreffenden Krisenszenarien sein. Durch eine stärkere Bevorratung kann die Marktverfügbarkeit dieser Produkte verbessert und das Auftreten von Lieferengpässen verzögert oder gänzlich vermieden werden. Arzneimittelpackungen müssen multinational bzw. per QR-Code EU-weit vertriebsfähig werden. Eine sinnvolle EU-Bevorratungsstrategie für Arzneimittel sollte folgenden Grundsätzen folgen:
- Spät in der Produktionskette: Die Bevorratung von Fertigarzneimitteln ist der Bevorratung von Vorprodukten und Wirkstoffen grundsätzlich überlegen, da sie alle vorgelagerten Engpassrisiken in der Lieferkette abdeckt. Eine Wirkstoffreserve hilft z. B. nicht, wenn eine Produktionsstätte ausfällt oder ein Hilfsstoff oder Packmittel nicht verfügbar ist.
- Früh in der Versorgungskette: Eine endständige Bevorratung durch Apotheken, Krankenhäuser oder gar Patienten ist deutlich aufwändiger, teurer und kann im überregionalen Bedarfsfall nur begrenzt und verzögert abgerufen werden. Eine frühe und zentrale Bevorratung ist dagegen aufgrund von Skaleneffekten wirtschaftlich, ermöglicht routinemäßige Stabilitätsuntersuchungen und erlaubt im Ernstfall eine schnelle und überregionale Verteilung über bestehende Versorgungstrukturen.
- Für versorgungskritische Arzneimittel: In enger Anlehnung an die allgemeine Arzneimittelgesetzgebung und den Critical Medicines Act sollte die Bevorratung solche Arzneimittel umfassen, die eine zentrale Bedeutung in der Therapie schwerwiegender Erkrankungen haben und nicht ersetzt werden können.
Die EU sollte daher für die hier tätigen pharmazeutischen Unternehmen eine Bevorratungspflicht für versorgungskritische Fertigarzneimittel einführen. Aus diesen Beständen sollte die laufende Nachfrage rollierend bedient werden, so dass keine Arzneimittel verworfen werden müssen. Eine solche Verpflichtung wäre im Sinne des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt und würde an die bestehende Versorgungspflicht aus Artikel 81 Richtlinie 2001/83/EG („Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimitte“) anknüpfen. Verstöße gegen die Verpflichtung der Zulassungsinhaber zur Bevorratung ihrer kritischen Arzneimittel müssen mit spürbaren Sanktionen geahndet werden.
Die EU-Bevorratungsstrategie sollte in den Mitgliedstaaten durch zu ihren Versorgungsstrukturen passende Bevorratungsmechanismen subsidiär ergänzt werden und bestehende nationale Regelungen und Strukturen berücksichtigen. Deutschland hat bereits Regelungen zur Bevorratung auf nahezu allen Handelsstufen getroffen, um abgestuft auf temporäre Unterbrechungen der Belieferung vorbereitet zu sein.
Da die von den Herstellern angegebenen Haltbarkeiten nach wissenschaftlichen Untersuchungen in vielen Fällen zu konservativ sind, sollte bei der EMA ein „Shelf-Life Extension Program“ eingerichtet werden, das es ihr ermöglicht, eigene Haltbarkeitsstudien für vorratspflichtige Arzneimittel durchzuführen und auf dieser Basis eine Änderung der Produktangaben zu erwirken.
Die sichere Verfügbarkeit von Arzneimitteln erfordert eine enge Verzahnung der verschiedenen EU-Instrumente sowie eine Verbesserung der Informations- und Datenlage über die Bestände auf allen Handelsstufen.
Über uns
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), der GKV-Spitzenverband, die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) haben sich mit Blick auf ihre gemeinsamen europapolitischen Interessen zur „Deutschen Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa e.V.“ zusammengeschlossen. Der Verein vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber den Organen der Europäischen Union sowie anderen europäischen Institutionen und berät die relevanten Akteure im Rahmen aktueller Gesetzgebungsvorhaben und Initiativen. Die Kranken- und Pflegeversicherung mit 75 Millionen Versicherten, die Rentenversicherung mit 57 Millionen Versicherten und die Unfallversicherung mit mehr als 70 Millionen Versicherten in 5,2 Millionen Mitgliedsunternehmen bieten als Teil eines gesetzlichen Versicherungssystems den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wirksamen Schutz vor den Folgen großer Lebensrisiken.