Aufbau und Vollendung des Europäischen Gesundheitsdatenraums

EHDS vom Rat gebilligt.

CC – 01/2025

Der Gesetzgebungsprozess einer Verordnung in der Europäischen Union (EU) dauert durchschnittlich anderthalb bis drei Jahre. Der des Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) liegt damit am oberen Ende dieses Zeitrahmens. Nach zwei Jahren und acht Monaten hat der Rat für Wirtschaft und Finanzen die Verordnung am 21. Januar verabschiedet.


Nach der Annahme durch das Europäische Parlament im Dezember letzten Jahres stellt dies den – nahezu – letzten Schritt auf dem langen Weg dieses Rechtsakts dar, der am 3. Mai 2022 von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde. Die Verordnung wird nun formell vom Rat und dem Europäischen Parlament unterzeichnet. Nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU tritt der EHDS 20 Tage später in Kraft und leitet damit die Übergangsfristen für die vollständige Umsetzung ein.

Der Beginn

Die Europäische Kommission plant in ihrer Datenstrategie von 2020 die Schaffung von zehn gemeinsamen Datenräumen, darunter Landwirtschaft, Energie und – als erstes – Gesundheit.


Am 3. Mai 2022 legte die Europäische Kommission ihren Verordnungsvorschlag zum EHDS vor. Dieser soll den Versicherten ihre elektronischen Behandlungsdaten und Rezepte in der elektronischen Patientenakte grenzüberschreitend zur Verfügung stellen (Primärnutzung). Der EHDS soll dazu beitragen, die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung zu verbessern und für mobile Versicherte in der EU deutlich zu vereinfachen. Er schafft auch die Grundlage dafür, die in den Mitgliedstaaten vorhandenen Gesundheitsdaten für die Forschung, die Weiterentwicklung der Versorgung und die Optimierung der Gesundheitssysteme nutzbar zu machen (Sekundärnutzung).

Die Entwicklung

Nach Vorlage des Verordnungstextes gab es zunächst eine zentrale Frage: die der Zuständigkeiten. Im Europäischen Parlament musste geklärt werden, welcher Ausschuss verantwortlich ist. Man einigte sich auf eine geteilte Zuständigkeit zwischen dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und dem Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI).


Im Rat war klar, dass der Gesundheitsrat (EPSCO) zuständig ist. Es gab jedoch Bedenken, ob die Kommission so tief in die Gesundheitssysteme und Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingreifen darf. Die Verordnung stützt sich auf Artikel 114 AEUV, der den Binnenmarkt unter Wahrung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus regelt. Die Kompetenz zur Gestaltung des Gesundheitssystems bei den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 168 AEUV bleibt damit gewahrt.


Die Mitgliedstaaten konnten im Rat zunächst ihre Position festlegen und setzten sich dabei für eine Stärkung ihrer Mitbestimmungsrechte ein, insbesondere bei der Governance und der Festlegung technischer Spezifikationen. Auch die Mitbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten wurden gegenüber dem Vorschlag der Europäischen Kommission präzisiert. Den Mitgliedstaaten soll es überlassen bleiben, Opt-Out-Regelungen, also Widerspruchsrechte für die Nutzung und Weitergabe der Gesundheitsdaten festzulegen. Eine weitere Änderung betrifft das Austauschformat der elektronischen Gesundheitsakte (EHR), in dem der Rat zwischen einem nationalen und einem grenzüberschreitenden Profil unterscheiden möchte.


Das Europäische Parlament verabschiedete eine Woche später seine Position im Plenum. Von Beginn an legten die Abgeordneten den Schwerpunkt auf den grenzüberschreitenden Datenaustausch. Neben Datenschutz und Datensicherheit standen die Mitbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten im Fokus. Besonders sensibel wurde die Frage behandelt, welche Gesundheitsdaten registriert, genutzt und weitergegeben werden dürfen. Ein kurzfristig angenommener Änderungsantrag im Plenum sorgte für Diskussionen: Er stellte klar, dass die Mitgliedstaaten natürlichen Personen ein umfassendes Widerspruchsrecht („Opt-Out“) nicht nur gegen die Nutzung, sondern auch gegen die Registrierung ihrer personenbezogenen Daten in einer EHR einräumen können.


Am Ende des Mandats wollte man keine Zeit verlieren, um das Dossier rechtzeitig verabschieden zu können. Nach drei Monaten und 27 technischen Sitzungen wurde im März 2024 im Trilog eine Einigung zwischen Rat und Parlament erzielt. Besonders kontrovers diskutiert wurden dabei die Opt-Out-Regelungen, die EHR-Systeme und die Umsetzungsfristen.


Obwohl Europäisches Parlament und der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) die politische Einigung noch im April 2024 gebilligt hatten, konnte die sprachjuristische Prüfung vor der Europawahl im Mai 2024 nicht abgeschlossen werden. Dadurch verzögerte sich der Gesetzgebungsprozess. Nach Abschluss der Prüfung ging es jedoch schnell: Am 17. Dezember 2024 verabschiedete das Parlament die Verordnung, ein Monat später, am 21. Januar 2025 billigte der Rat sie. Der EHDS kommt.

Die Perspektive

Die Umsetzung der Verordnung erfolgt stufenweise: Je nach Regelungsgegenstand entfaltet sie ihre Wirkung nach zwei bis sechs Jahren. Die ersten Datenaustausche sollen entweder Ende 2028 oder Anfang 2029 stattfinden. In der Zwischenzeit werden zahlreiche Details in Durchführungsrechtsakten geregelt. Die meisten davon dürften bis Ende 2026 bzw. Anfang 2027 verabschiedet worden sein.


Auch in Deutschland ist mit der Verabschiedung des Verordnungstextes nichts vorbei – es geht nun richtig los. Für die reibungslose Umsetzung des EHDS auf nationaler Ebene muss geprüft werden, welche Ergänzungen zum Digitalgesetz oder dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz gemacht werden müssen. Auch gilt es zu klären, welche Anpassungen in den Sozialgesetzbüchern erforderlich sind und welche Strukturen aufgebaut werden müssen.


Die DSV hat mehrfach in Stellungnahmen betont, wie wichtig es ist, die Mitbestimmungsrechte der Mitgliedstaaten zu stärken. Die Nutzung von Gesundheitsdaten soll dem Gemeinwohl dienen und primär den Patientinnen und Patienten sowie den Sozial- und Gesundheitssystemen zugutekommen. Nutzungsberechtigt sollten daher Projekte sein, die nachweislich einen Mehrwert für sie schaffen. Mit diesem Blick wird die DSV auch die Umsetzung des EHDS verfolgen.

Weitere News