Adobe Stock/katarzynaEU-Erweiterungspaket 2025
Schritte hin zu einer erweiterten Europäischen Union.
LB – 11/2025
Die Europäische Kommission hat ihr jährliches Erweiterungspaket vorgelegt und darin die Fortschritte der Beitrittskandidaten bewertet. Sie sieht deutliche Entwicklungen auf dem Weg zu einer größeren Europäischen Union (EU) und zeigt sich optimistischer als in den Jahren zuvor. Die Erweiterung bleibt ein zentraler Pfeiler für langfristige Sicherheit, Frieden, Stabilität und Wohlstand in Europa. Neben wirtschaftlichen Reformen müssen beitrittswillige Länder auch ihre sozialen Strukturen an EU-Standards anpassen, um den Anforderungen einer Mitgliedschaft gerecht zu werden. Der Ausbau des Sozialschutzes ist dabei regelmäßig ein wesentlicher Bestandteil des Reformprozesses.
Aktuelle Beitrittskandidaten
Nach dem Vertrag über die Europäische Union kann jedes europäische Land einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen, sofern es die demokratischen Werte der EU achtet und fördert. Derzeit besitzen neun Länder den Status „Beitrittsland“: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Moldawien, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, die Türkei und die Ukraine. Kosovo hat ebenfalls die Mitgliedschaft beantragt, verfügt aber noch nicht über den Beitrittskandidatenstatus. Deutschland ist derzeit mit acht dieser Länder durch bilaterale Sozialversicherungsabkommen verbunden – ausgenommen Georgien und Moldawien.
Angesichts des beschleunigten Fortschritts einiger Länder, wird eine EU-Erweiterung zunehmend als realistische Möglichkeit angesehen. Montenegro und Albanien gelten als führend im Beitrittsprozess und streben an, ihre Verhandlungen bis 2026 bzw. 2027 abzuschließen.
Kopenhagener Kriterien als Grundlage
Der erste Schritt für den EU-Beitritt ist die Erfüllung der 1993 vom Europäischen Rat festgelegten „Kopenhagener Kriterien“. Sie stellen sicher, dass ein Land die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen der EU erfüllt. Dazu gehören stabile Institutionen, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte sowie Minderheitenschutz. Wirtschaftlich muss eine funktionierende Marktwirtschaft bestehen, die dem Wettbewerb im Binnenmarkt standhalten kann. Zudem müssen die sogenannten „EU-Acquis-Kriterien“ erfüllt werden, also alle Verpflichtungen eines EU-Mitglieds übernommen werden.
Soziale Kriterien bei den Beitrittsverhandlungen
Der Katalog des EU-Acquis ist seit 2020 in 35 Kapitel unterteilt. Für den Sozial- und Beschäftigungsbereich sind vor allem zwei Kapitel zentral: Kapitel 2 behandelt die Freizügigkeit der Arbeitnehmenden und bezieht sich direkt auf die Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme einschließlich der Absicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Daneben befasst sich Kapitel 19 mit der Sozialpolitik und Beschäftigung und prüft, ob die Kandidatenländer Mindeststandards im Arbeitsrecht einhalten, Gleichstellung fördern, Gesundheits- und Arbeitsschutz gewährleisten und Antidiskriminierungsmaßnahmen umsetzen.
Die Kandidatenländer müssen belegen, dass ihre sozialen und arbeitsrechtlichen Systeme den EU-Vorgaben entsprechen. Dazu überprüft die Europäische Kommission unter anderem Fortschritte bei der Einführung nationaler Krankenversicherungsnachweise und verlangt bei Bedarf Machbarkeitsstudien zur späteren Umsetzung der Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC). Darüber hinaus bewertet sie den Digitalisierungsgrad, um sicherzustellen, dass die Länder nach ihrem Beitritt am EU-weiten elektronischen Austausch von Sozialversicherungsdaten (EESSI) teilnehmen können.
Die Bewertung der Sozial- und Beschäftigungspolitiken durch die Europäische Kommission erkennt dieses Jahr Fortschritte an, zum Beispiel hinsichtlich des Mindestlohns in Moldau, der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz in Montenegro sowie des Sozialschutzes in Albanien. Zugleich wird aufgezeigt, wo bei den Beitrittskandidaten weitere gesetzliche und administrative Anpassungen notwendig sind, etwa bezüglich des sozialen Dialogs in Bosnien und Herzegowina, der Diskriminierung von Frauen in Beschäftigung und Sozialpolitik im Kosovo sowie der Arbeitsinspektionen in Serbien. Damit eröffnet die EU-Erweiterung nicht nur neue Perspektiven, sondern setzt zugleich einen klaren Rahmen für die Angleichung sozialer Standards.
Bedeutung für die soziale Sicherheit
Die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme ist ein zentrales Instrument der EU im Bereich der sozialen Sicherheit. Dadurch werden Sozialversicherungsansprüche von Personen gesichert, die in einem anderen Land der EU leben, arbeiten oder in ein solches umziehen.
Für die Beitrittsländer heißt dies, dass sie ihre Systeme an die europäische Koordinierungslogik anpassen müssen. Auch europäische Vorgaben im Gesundheits- und Arbeitsschutz sind zu berücksichtigen und umzusetzen. Zudem würden bestehende bilaterale Sozialversicherungsabkommen durch das einheitliche EU-Recht ersetzt, wodurch sich langfristig großes Potenzial zur Stärkung der Sozialversicherungssysteme in Europa bietet. Gleichzeitig profitieren Bürgerinnen und Bürger EU-weit von erweiterter, gut koordinierter sozialer Sicherheit. Ein verlässlicher, europaweit verankerter Sozialschutz bleibt ein wichtiger Faktor für die Attraktivität der EU.