Getty Images - Kittisak KaewchalunChemikalienpolitik
Der Herbst der Entscheidungen.
SK – 10/2025
Seit der
Vorstellung des Aktionsplans für die chemische Industrie und des
Chemikalien-Omnibusgesetzes im Juli hat die Reformdebatte in Brüssel deutlich
an Fahrt aufgenommen. Während im Rat die Verhandlungen zu den Kommissionsvorschlägen
bereits laufen, wurden im Europäischen Parlament erst in diesem Monat die
Berichterstatter benannt. Parallel zu den Arbeiten an den Vorschlägen zum Omnibusgesetz
und der neuen ECHA-Grundverordnung bereitet die Europäische Kommission die
Überarbeitung der REACH-Verordnung vor – ein Unterfangen, das auch im zweiten
Anlauf ins Stocken geraten zu sein scheint.
REACH-Überarbeitung: Verzögerungen zeichnen sich ab
EU-Umweltkommissarin
Jessika Roswall bekräftigte jüngst, die Europäische Kommission werde die
REACH-Reform noch in dieser Legislaturperiode vorlegen. Angekündigt war der
Vorschlag für Ende des Jahres. Das Vorhaben steht jedoch unter Druck, denn der Ausschuss
für Regulierungskontrolle hat dem Folgenabschätzungsbericht eine negative
Bewertung erteilt.
Damit müssen die
federführenden Generaldirektionen Umwelt (DG ENV) und Binnenmarkt (DG GROW) die
Bewertung überarbeiten und erneut einreichen, bevor die Europäische Kommission
den Vorschlag offiziell vorlegen kann. Wie viel Zeit diese zusätzliche Schleife
in Anspruch nehmen wird, ist ungewiss. Klar ist nur, dass die Vorlage der
REACH-Reform bis Ende des Jahres ernsthaft gefährdet ist.
PFAS-Beschränkungen: Politische Spannung und technischer Aufwand
Ähnlich langwierig
wie die REACH-Reform ist die geplante Universaleinschränkung von Per- und
Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS). Seit März 2023 prüfen die zuständigen
Ausschüsse der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) den Vorschlag. Die
endgültigen Stellungnahmen der Ausschüsse werden bis 2026 erwartet. Die Europäische
Kommission plant, unmittelbar danach einen Legislativvorschlag vorzulegen, um
PFAS-Emissionen rasch zu minimieren.
Es gibt jedoch
kleine Erfolge, denn die Regulierung von PFAS schreitet in Teilbereichen voran.
Bereits beschlossen ist eine EU-weite Beschränkung von PFAS in Löschschäumen,
die ab dem 23. Oktober 2030 wirksam wird. Je nach Einsatzbereich gelten
Übergangsfristen von zwölf Monaten bis zu zehn Jahren, um einen reibungslosen
Umstieg auf PFAS-freie Alternativen zu ermöglichen.
ECHA-Grundverordnung: Mehr Eigenständigkeit und neue Aufgaben
Unabhängig von den
Verzögerungen bei der REACH-Überarbeitung hat die Europäische Kommission
bereits einen zentralen Reformschritt eingeleitet. Anfang September haben im
Rat die Beratungen über den Vorschlag für eine eigenständige
ECHA-Grundverordnung begonnen.
Mit der neuen
Verordnung sollen die bisherigen Bestimmungen zur ECHA, die bislang
hauptsächlich in der REACH-Verordnung verankert waren, in einem eigenständigen
Rechtsrahmen zusammengeführt werden. Ziel ist es, die Agentur personell und
organisatorisch zu stärken, um ihre wachsenden Aufgaben effizient bewältigen zu
können. Zugleich enthält der Vorschlag neben Änderungen in der REACH-Verordnung
auch Anpassungen weiterer Rechtsakte – etwa der Biozidprodukte-Verordnung, der
Verordnung über die Ausfuhr bestimmter gefährlicher Chemikalien sowie der
Verordnung über persistente organische Schadstoffe –, in denen Aufgaben der
ECHA verankert sind.
Eine für die
gesetzliche Unfallversicherung wesentliche Neuerung betrifft die erweiterte
Rolle des Ausschusses für Risikobewertung (RAC). Künftig soll der RAC auch
Arbeitsplatzgrenzwerte und andere gesundheitsbasierte Grenzwerte im Rahmen
bestehender Arbeitsschutzrichtlinien bewerten. Diese Aufgabe war bislang nur
informell geregelt.
Ausblick: Reformen mit Signalwirkung
Die kommenden
Monate werden entscheidend für die Zukunft der europäischen Chemikalienpolitik.
Mit dem Omnibusgesetz, der neuen ECHA-Verordnung und der überarbeiteten
REACH-Struktur zeichnet sich eine tiefgreifende Neuordnung ab, die weit über
die Chemiebranche hinausreicht. Ob die Europäische Kommission ihr
ambitioniertes Reformtempo halten kann, wird maßgeblich darüber entscheiden, ob
die EU ihr 2020 gestecktes Ziel erreicht, den Umgang mit Chemikalien sicherer,
nachhaltiger und innovationsfreundlicher zu gestalten.