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Studien empfehlen Neuausrichtung der Lebensmittelpolitik.
UM – 11/2025
Ultra-verarbeitete Lebensmittel (UPFs) stehen gegenwärtig im Fokus der Gesundheitspolitik. Inhaltlich unterstützt, wird der Kampf gegen UPFs von einer aktuellen dreiteiligen Studienserie, die das Fachjournal „The Lancet“ Mitte November veröffentlicht hat. Sie zeigt, dass die zunehmende Verdrängung langjähriger Ernährungsgewohnheiten durch ultra-verarbeitete Lebensmittel ein wesentlicher Faktor für die weltweit steigende Belastung durch ernährungsbedingte chronische Krankheiten ist.
Zucker, Fett, Salz ...
Die Studienserie untersucht den weltweiten Anstieg ultra-verarbeiteter Lebensmittel in der Ernährung und zeigt, wie deren unausgewogene Nährstoffzusammensetzung mit einer Vielzahl von Erkrankungen verknüpft ist. Dazu zählen ein übermäßiges Essverhalten, das durch hohe Energiedichte, starke Schmackhaftigkeit und weiche Textur begünstigt wird, eine reduzierte Aufnahme gesundheitsschützender sekundärer Pflanzenstoffe sowie die erhöhte Belastung durch toxische Verbindungen, endokrine Disruptoren und potenziell schädliche Klassen und Kombinationen von Lebensmittelzusatzstoffen.
Die zentrale These der Studienreihe: Der Anstieg ultra-verarbeiteter Lebensmittel wird maßgeblich von globalen Konzernen vorangetrieben, die ausgefeilte politische Taktiken anwenden, um ihre Gewinne zu schützen und zu maximieren. Damit einher geht eine Verschlechterung der Ernährung, die eine akute Gefahr für die öffentliche Gesundheit dastellt. Deshalb müssten ultra-verarbeitete Lebensmittel und der Zugang zu frischen und minimal verarbeiteten Lebensmitteln verbessert werden, so die Autoren.
Neue Vision erforderlich
Aufklärung und die Hoffnung auf eine Verhaltensänderung der Verbraucherinnen und Verbraucher reichen nach Sicht der Autoren nicht aus. Es bräuchte eine neue Vision und eine global koordinierte Antwort auf die Interessen der UPF-herstellenden Lebensmittelproduzenten. Notwending sei eine Rückkehr zu einem Lebensmittelsystem, das lokale Lebensmittelproduzenten stärkt, kuluturelle Ernährungstraditionen bewahrt und wirtschaftliche Vorteile für die Gemeinden schafft.
Ende der wissensbasierten Politik?
Die Gegenreaktion kam promt: Die Lobbyorganisation FoodDrinkEurope, in der namhafte Lebensmittelhersteller wie Unilever, Ferrero, Nestlé oder PepsiCo organisiert sind, sprach von einem Ende der wissenschaftsbasierten Politik. Die Studien, so der Verband, würden komplexe Ernährungsfragen vereinfachen, die Verwirrung der Verbraucher riskieren und bestehende, wirksame öffentliche Gesundheitsmaßnahmen untergraben.
Hohe Preise für schädliche Produkte stärken Prävention
Ungeachtet der Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Interessenvertretung findet die Idee, ungesunde Lebensmittel stärker zu besteuern, durchaus Zuspruch. EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi will in seinem Plan für Herz-Kreislaufgesundheit für UPFs eine höhere Besteuerung durchsetzen. Die DSV unterstützt starke Preissignale als Instrument der Gesundheitsprävention. "Die Vorstellung, dass man Steuern oder Preissignale nutzen kann, um Leute anzustoßen, ist meiner Meinung nach absolut willkommen”, bekräftigte auch der belgische Gesundheitsminister Frank Vandenbrouke anlässlich des POLITICO Health Care Summit 2025 und warf im gleichen Atemzug die Frage auf, wie die Erlöse einer solchen Steuerpolitik sinnvoll verwendet werden könnten.