iStockphoto/Gil-DesignÖffentliche Beschaffung
Die Vergaberechtsreform hat ihre Ziele nicht ganz erreicht.
UM – 11/2025
Die europäischen Richtlinien für das
öffentliche Auftragswesen wurden 2014 reformiert. Ziel war, einen fairen
Wettbewerb zu gewährleisten, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beim Einsatz
öffentlicher Mittel zu erzielen, gesellschaftlich gewünschte Ergebnisse zu
optimieren und nachhaltigere und innovative öffentliche Ausgaben zu fördern
sowie zur Korruptionsbekämpfung beizutragen. Die Evaluation
der Richtlinien, deren Ergebnisse Mitte Oktober von der Europäischen
Kommission veröffentlicht worden sind, zeigen: Dieses Ziel ist nur „teilweise
erreicht worden“.
Als strategisches Instrument wenig genutzt
Mit der Reform der Vergaberichtlinien von 2014
sollte das Beschaffungswesen strategisch ausgerichtet werden. Solchermaßen
vergebene öffentliche Mittel sollten stärker der Verfolgung ökologischer,
innovativer und sozialer Ziele dienen. Doch in den Mitgliedstaaten kommen diese
Ansprüche sehr unterschiedlich zum Tragen. Angesichts der geopolitischen
Änderungen und der Neuausrichtung der europapolitischen Schwerpunkte in der
aktuellen zehnten Wahlperiode sind zudem Prioritäten wie wirtschaftliche
Sicherheit und strategische Autonomie wichtiger geworden. Deutlich wird dieses
bereits im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum Critical Medicines Act. Hier
wird darüber diskutiert, auf welchem Weg die Produktion unverzichtbarer
Arzneimittel in Europa vergaberechtlich verbindlich gefördert werden kann.
Vergaben sind komplizierter geworden
Trotz der Bemühungen, die Vergabeverfahren zu
vereinfachen, werden sie als komplex und starr empfunden. Das Nebeneinander von
Bestimmungen zum öffentlichen Auftragswesen in sektoralen Rechtsvorschriften –
oft zur Förderung strategischer politischer Ziele – und europäischen
Vergaberichtlinien hat zu regulatorischen Unstimmigkeiten geführt, die das
öffentliche Auftragswesen weiter verkomplizieren. Die Hinzufügung zusätzlicher
regulatorischer Anforderungen durch die Mitgliedstaaten – das sogenannte
„Gold-Plating“ – erhöht ebenfalls die Komplexität. In der Folge sind hochqualifizierte
Behörden mit entsprechend ausgebildetem Personal erforderlich. Doch der notwendige
Kapazitätsaufbau bleibt hinter den Anforderungen zurück.
Flexibilität wenig genutzt
Die Reform der Vergaberichtlinien hatte auch
zum Ziel, die Vergabe öffentlicher Aufträge zu flexibilisieren. In der Folge
sollte der Verwaltungsaufwand sinken. Auch dies ist nur „teilweise“ erreicht
worden. Denn die geschaffenen Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen
Verfahren blieben weitgehend unbeachtet – in über 80 Prozent aller Vergaben
kamen offene Verfahren zur Anwendung, bei denen eine unbeschränkte Anzahl von
Unternehmen öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Daneben haben
Rahmenvereinbarungen, bei denen die Bedingungen für spätere Vergaben
öffentlicher Aufträge festgelegt werden, zugenommen.
Schlechte Noten für die Rechtssicherheit
Rechtssicherheit und Klarheit – dies war der
Anspruch, der an die Überarbeitung der europäischen Richtlinien vor gut zehn
Jahren gestellt worden ist. Die Evaluation zeigt: Dieser Anspruch ist nicht
eingelöst worden. Berichtet wird von Schwierigkeiten bei der Auslegung wichtiger
Begriffsbestimmungen, der Bestimmungen bei Verträgen zwischen Auftraggebern
innerhalb des öffentlichen Sektors, bei Ausschlussgründen, ungewöhnlich
niedrigen Angeboten, der Feststellung des anwendbaren Rechtsinstruments und
anderes mehr. Auslegungsprobleme werden auch beklagt bei den Wechselwirkungen
zwischen klassischen Aufträgen, Aufträgen im Versorgungsbereich und
Konzessionen. Besondere Fragen stellen sich auch hinsichtlich des Zugangs von
Wirtschaftsteilnehmern sowie von Waren und Dienstleistungen aus Drittländern.
Für die Revision hängt die Latte hoch
Der Europäischen Kommission kommt angesichts
enttäuschender Ergebnisse und der Notwendigkeit, den Wettbewerb in den
öffentlichen Beschaffungsmärkten zu stimulieren, eine große Aufgabe zu. Ihre
Präsidentin Ursula von der Leyen hat mit der Einführung von „Made in
Europe“-Kriterien den Anspruch unterstrichen, die öffentliche Auftragsvergabe
als strategisches Instrument zu nutzen. Die Narrative sind bekannt:
Wettbewerbsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit, Sicherheit. Dass sich in der für
das zweite Quartal 2026 angekündigten Überarbeitung der europäischen
Vergaberichtlinien neue Optionen oder Verpflichtungen für die Anwendung ökologische
oder soziale Vergabekriterien finden werden, ist weniger wahrscheinlich. Am 24.
November hat sich auch die Ratsarbeitsgruppe „Wettbewerbsfähigkeit und
Wachstum (Öffentliches Auftragswesen)“ mit der Überarbeitung des Rahmens
für Vergaben und die Evaluierung der europäischen Vergaberichtlinien befasst.