Prävention im Mittelpunkt der europäischen Gesundheitspolitik.

CC – 09/2025

In der Europäischen Union (EU) leiden ungefähr 60 Millionen Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die jährlich etwa für ein Drittel aller Todesfälle verantwortlich sind. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass sowohl die Zahl der Erkrankungen als auch die Sterblichkeit bis zum Jahr 2050 deutlich ansteigen werden. Eine Entwicklung, die vor allem auf die alternde Bevölkerung und andere gesellschaftliche Entwicklungen, wie die Zunahme von Risikofaktoren oder soziale, wirtschaftliche und Umweltfaktoren zurückzuführen ist. Dabei könnten rund 80 Prozent der kardiovaskulären Ereignisse durch wirksame Prävention verhindert werden. Vor diesem Hintergrund plant die Europäische Kommission, das Thema jetzt verstärkt anzugehen, und will noch in diesem Jahr einen EU-Plan für Herz- und Kreislaufgesundheit vorlegen.

Attestierter Handlungsbedarf

Ziel des EU-Plans ist ein umfassender, präventionsorientierter Rahmen, der die Mitgliedstaaten dabei unterstützt, Erkrankungen zu vermeiden und vorzeitige Todesfälle bei Menschen mit bestehenden Risiken wie Adipositas, Bluthochdruck oder Begleiterkrankungen zu verhindern. Viel ist zu den Inhalten noch nicht bekannt, es wird sich aber voraussichtlich um ein strategisches Rahmenwerk handeln und nicht um ein konkretes Gesetz. Dies verdeutlicht den begrenzten Handlungsspielraum der EU.


Sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat haben das Thema bereits aufgegriffen. Das Parlament verabschiedete bereits eine Entschließung zu nichtübertragbaren Krankheiten, der Rat entsprechende Schlussfolgerungen.

Was wir erwarten können

Aufbauend auf Initiativen wie Europas Plan gegen den Krebs soll der EU-Plan laut des Sondierungsberichts voraussichtlich drei Hauptaktionsbereiche umfassen: Prävention (beispielsweise durch Aufklärung über ungesunde Verhaltensweisen, um Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verringern); Früherkennung und Vorsorge (beispielsweise durch ein EU-Protokoll über Gesundheitskontrollen in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder EU-Leitlinien zur Nutzung digitaler Instrumente für personalisierte Behandlungen und Fernüberwachung); sowie Management, Pflege und Rehabilitation.

DSV fordert „Health in All Policies“

Die Deutsche Sozialversicherung (DSV) begrüßt in Ihrem Feedback die Initiative ausdrücklich. Aus Sicht der DSV sollte die Kommission dabei der Stärkung gesundheitsförderlicher Lebensumstände Vorrang einräumen, ergänzt durch evidenzbasierte Vorsorgeangebote und eine hochwertige Versorgung einschließlich Rehabilitation und Reintegration. Nur durch einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz („Health in All Policies“) lassen sich Krankheitslast und Sterblichkeit nachhaltig verringern, was die Bevölkerungsgesundheit verbessern kann.


Die DSV unterstützt einen integrierten Rahmen für Prävention, Vorsorge und Rehabilitation, der zentrale Risikofaktoren wie Rauchen, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Alkoholkonsum und psychosoziale Belastungen adressiert. Ein EU-Plan sollte gemeinsame Zielsetzungen, evidenzbasierte Prioritäten sowie Transparenz- und Vergleichbarkeitsstandards fördern, damit er für alle Mitgliedstaaten echten Mehrwert schafft.

Lehren aus deutscher Gesetzgebung

Die DSV wird den Herz-Kreislauf-Plan insbesondere mit den Eindrücken aus der deutschen Gesetzgebung zum „Gesundes-Herz-Gesetz“ begleiten. Hier wollte der deutsche Gesetzgeber Präventionsgelder umschichten und diese nicht mehr für verhaltensbezogene Prävention einsetzen; nach dem Motto „Pillen statt Prävention“. 


Aus Sicht der DSV wäre es ein Fehler, diesen Weg auf EU-Ebene zu wiederholen. Der wirksame Ansatz zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen liegt nicht in einer weiteren Medikalisierung durch zusätzliche Screenings oder eine Ausweitung von Arzneimittelverschreibungen, sondern in einem konsequenten Ansatz zur Stärkung von Verhältnis- und Verhaltensprävention sowie Gesundheitskompetenz. Im Vordergrund muss die Schaffung gesundheitsförderlicher Lebens-, Lern- und Arbeitsbedingungen stehen. Dazu gehören eine wirksame Tabak- und Alkoholpolitik, gesündere Lebensmittel, Förderung aktiver Mobilität und Bewegungsangebote über alle Lebensphasen hinweg. Gesundheitskompetenz muss schon in Bildungseinrichtungen gestärkt werden, um auch benachteiligte Gruppen zu erreichen.

Ausblick

Der Europäische Krebsplan hat bereits erheblichen Einfluss auf die EU-Gesundheitspolitik. Ob der EU-Plan für Herz- und Kreislaufgesundheit ähnliche Wirkung entfalten wird, bleibt abzuwarten – die Erwartungen sind hoch.