iStockphoto-gorodenkoffData Union Strategy
Europäische Kommission präsentiert Strategie für den Daten-Binnenmarkt.
HS – 11/2025
Am 19. November hat die Europäische Kommission als Teil des Digitalpakets
eine Data Union Strategy vorgelegt. Diese war schon in den politischen Leitlinien von Ursula von der Leyen angekündigt
worden. Ziel ist es, einen vereinfachten, klaren und
kohärenten Rechtsrahmen zu schaffen, der es Unternehmen und Verwaltungen
ermöglicht, Daten reibungslos und in großen Umfang zu teilen – unter Einhaltung hoher
Standards für Datenschutz und Sicherheit.
Hintergrund
Für die Europäische Union (EU) ist das Thema Daten zunehmend zentral, da sie
sich einem wachsenden geopolitischen Wettbewerb gegenübersieht,
in dem Daten zunehmend als strategisches Gut betrachtet werden. Während globale
Wettbewerber sie für technologische und industrielle Vorteile nutzen, bleiben viele Daten in der EU auch wegen
komplexer Vorschriften ungenutzt. Um diesen Herausforderungen zu begegnen,
nennt die Strategie drei prioritäre Handlungsfelder: die Erhöhung der Verfügbarkeit von Daten für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI), die
Vereinfachung der EU-Datenvorschriften und schließlich die Stärkung der globalen Position der EU bei
internationalen Datenströmen.
Ausweitung des Datenzugangs für die KI-Entwicklung
Mit dem
Aufkommen generativer KI, großer Sprachmodelle und KI-Agenten ist der Zugang zu umfangreichen,
hochwertigen und sektorspezifischen Datensätzen zu einem entscheidenden Faktor für die
globale Wettbewerbsfähigkeit geworden. Vor diesem Hintergrund gilt es gemäß der Strategie zum einen, hochwertige
Datensätze in größerem Umfang verfügbar zu machen. Zum anderen müsse die
Verfügbarkeit der Recheninfrastruktur, die für die Verarbeitung dieser
Datensätze erforderlich ist, sichergestellt sein. Die Strategie sieht deshalb
sogenannte Datenlabore (Q4 2025) vor, die als Datendienstleister agieren und die europäischen Datenräume mit dem KI-Ökosystem verbinden. Sie sollen Unternehmen und
Forschenden einen sicheren und praktischen Zugang zu hochwertigen Datensätzen bieten, bei der Einhaltung
der EU-Vorschriften unterstützen und Werkzeuge, Leitfäden und vertrauenswürdige
Umgebungen bereitstellen für die Bündelung, Aufbereitung, Kennzeichnung sowie die Pseudonymisierung und Anonymisierung von Daten.
Darüber hinaus sollen horizontale Instrumente die gesamte
Datenwirtschaft stärken, etwa durch Rechtssicherheit für die gemeinsame Datennutzung und Standards für die
Datenqualität sowie durch Investitionen in Kapazitäten für synthetische Daten. So sollen etwa hochwertige
Datensätze nach der Richtlinie über offene Daten und die
Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors erweitert werden (Q4 2026). Zudem soll der Cloud
and AI Development Act (Q1 2026) eine nachhaltige Rechenzentrumsinfrastruktur
sowie souveräne Cloud- und KI-Dienste für Unternehmen und öffentliche
Verwaltungen sicherstellen.
Vereinfachung der Datenvorschriften
Aufbauend auf der europäischen
Datenstrategie von 2020 –
der Grundlage für die gemeinsamen europäischen Datenräume – hat die EU sowohl
horizontale als auch sektorspezifische Rechtsvorschriften erlassen. Doch nach
Ansicht der Europäischen Kommission hat das komplexe
Zusammenspiel dieser
Gesetzgebung sowie eine uneinheitliche Umsetzung in den
Mitgliedstaaten zu einem fragmentierten Rechtsrahmen und zu Rechtsunsicherheit
– auch für öffentliche Stellen – geführt. Dem soll der gleichzeitig mit der Strategie veröffentlichte Digital-Omnibus entgegenwirken, indem unter anderem die Verordnung über einen Rahmen für den
freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten und die Verordnung über europäische
Daten-Governance zurückgenommen werden. Wesentliche Inhalte sollen dabei in die Datenverordnung überführt werden, so auch Vorschriften zur Datenweitergabe im öffentlichen Sektor, die derzeit zwischen der Verordnung über europäische
Daten-Governance und der Richtlinie über offene Daten und die
Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors aufgeteilt sind. Die Umsetzung der
Datenverordnung soll über Leitlinien (Q1 2026), Modellvertragsbedingungen für
den Datenzugang und die Datennutzung, Standardvertragsklauseln für
Cloud-Computing-Verträge sowie eine juristische Anlaufstelle („Data Act legal
helpdesk“, Q4 2025) unterstützt werden.
Über die
Vereinfachung von Vorschriften hinaus investiert die EU in Technologien zur
Automatisierung der Compliance. So werden über Horizon Europe und das Digital Europe Programme gemeinsame
Datenmodelle, Interoperabilitätsrahmen und automatisierte Analysen unterstützt, um perspektivisch automatisierte Compliance-Prüfungen in Echtzeit umsetzen zu können („one-click compliance“, ab Q4
2025). Hierbei kann der ebenfalls als Teil des Digitalpakets veröffentlichte Verordnungsvorschlag zu einer European
Business Wallet (EBW) eine wichtige Rolle spielen, da in ihr überprüfbare
Nachweise – darunter auch Compliance-Zertifikate – gespeichert, verwaltet und
geteilt werden können. Gleichzeitig sollen so Behörden einen sicheren und
unmittelbaren Zugang zu validierten Informationen bekommen.
Stärkung der globalen Position der EU
Der Zugang zu hochwertigen Daten ist ein
entscheidender strategischer Vorteil; weltweit werden Datenzugang, Datenlokalisierung
und Datenkontrolle zunehmend als Machtinstrumente eingesetzt. Gemäß der Strategie muss die EU deshalb Daten als zentrale strategische Ressource behandeln und in sichere,
hochwertige und interoperable Datensätze investieren. Europäische
Datensouveränität erfordere Offenheit gegenüber vertrauenswürdigen Partnern, einschließlich des
grenzüberschreitenden Austauschs von Daten, jedoch zu fairen, sicheren und wertebasierten Bedingungen. Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen und einer
wachsenden digitalen Protektionismuspolitik müsse die EU seine
Vermögenswerte schützen und globale Regeln mitgestalten, damit Daten sicher und
vertrauenswürdig in die und
aus der EU fließen können. Zu diesem Zweck plant die Europäische Kommission Leitlinien zur Bewertung einer fairen Behandlung von EU-Daten im
Ausland (Q2 2026) sowie die
Entwicklung eines Instrumentariums zur Abwehr
ungerechtfertigter Maßnahmen
zur Lokalisierung, zum Ausschluss und Datenabfluss sowie
zur Einführung von Maßnahmen zum Schutz sensibler nicht-personenbezogener Daten (Q2 2026).
Bedeutung für die Sozialversicherung
Künftig dürften mehr Verwaltungs- und
Gesundheitsdaten über gemeinsame europäische Datenräume verfügbar sein. Dadurch
könnten die Sozialversicherungsträger leichter auf hochwertige, anonymisierte
Daten zugreifen, etwa für Forschung, Prävention oder effizientere
Verwaltungsprozesse. Außerdem
schafft die Zusammenführung der Vorschriften zur
Datenweitergabe im öffentlichen Sektor mehr Rechtssicherheit, wenn
Sozialversicherungsdaten für bestimmte Zwecke genutzt werden sollen. Die geplanten Datenlabore
ermöglichen zudem eine sichere Nutzung sensibler Daten, ohne dass diese ihre
Schutzniveaus verlieren. Insgesamt bietet die Strategie Chancen für bessere
Analysen und modernere Services, erfordert aber gleichzeitig strenge
Datenschutz- und Sicherheitsstandards.