Getty-Images-juststockNachhaltigkeitsberichterstattung
Zwischen politischem Stillstand und globaler Anschlussfähigkeit.
SK – 10/2025
Ende Februar hat die
Europäische Kommission die beiden Nachhaltigkeits-Omnibusse veröffentlicht.
Ziel ist es, die Verhandlungen in Rat und Europäischem Parlament bis Ende des
Jahres abzuschließen. Während sich die Mitgliedstaaten frühzeitig auf einen
Standpunkt einigen konnten, führten Spannungen im Rechtsausschuss (JURI) zu
ungeplanten Verzögerungen. Sollten Rat und Parlament bis Jahresende keine
Einigung erzielen, drohen auch bei der Überarbeitung der Europäischen
Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) Verzögerungen.
Spannungen im JURI
Insbesondere
zwischen den Konservativen und den Sozialdemokraten sind die Fronten verhärtet.
Berichterstatter Jörgen Warborn (EVP, SE) drängt auf Vereinfachungen und
Entlastungen für Unternehmen, während die S&D-Fraktion lange Zeit eine
Abschwächung der Haftungsregeln und Sorgfaltspflichten ablehnte. Erst Mitte
Oktober konnte eine Einigung in letzter Minute erzielt werden. Die Abstimmung
in der zweiten Oktober-Plenarsitzung scheiterte. Am 13. November soll nun der Weg
für die Trilogverhandlungen freigemacht werden. Ob die dänische
Ratspräsidentschaft durch die Verzögerung das Dossier wie geplant noch in
diesem Jahr abschließen kann, bleibt allerdings offen.
EFRAGs Vorschlag zur Überarbeitung der ESRS
Parallel zu den
politischen Diskussionen arbeitet die European Financial Reporting Advisory
Group (EFRAG) an einer umfassenden Revision der ESRS. Damit sollen die
Standards – zu denen auch Berichtspflichten über Arbeitsunfälle und
Berufskrankheiten zählen – vereinfacht werden. Der im Juli 2025 vorgestellte Entwurf
sieht eine Kürzung der Datenpunkte um rund 55 Prozent vor. Davon unangetastet sind
die Pflichten zu Berufskrankheiten, die Unternehmen entweder schwer oder kaum
erfüllen können. Bis Ende November will EFRAG seine technischen Empfehlungen an
die Europäische Kommission übermitteln.
Doch die geplante
Vereinfachung des ESRS stößt nicht überall auf Zustimmung. Kritiker warnen,
dass die Reduktion zu Lasten von Vergleichbarkeit und Transparenz gehen könnte.
Auch die Global Reporting Initiative (GRI) äußerte Bedenken. Zu weitreichende
Änderungen im ESRS könnten die bisherige Interoperabilität zwischen ESRS und
internationalen Rahmenwerken gefährden.
Drei Standards: Ein Ziel, unterschiedliche Wege
Weltweit prägen
derzeit drei Rahmenwerke die ESG-Berichterstattung: die europäischen ESRS, die des
Internationalen Gremiums für Nachhaltigkeitsstandards (ISSB) sowie die
GRI-Standards. Während die ESRS auf die regulatorischen Anforderungen der EU
zugeschnitten sind, orientiert sich der ISSB stärker an den
Informationsbedürfnissen von Investoren. GRI verfolgt dagegen einen breiteren
Stakeholder-Ansatz und ist in über 100 Ländern etabliert.
EFRAG und ISSB
haben 2024 eine gemeinsame Leitlinie zur Interoperabilität veröffentlicht, um
Überschneidungen zu vermeiden und die Vergleichbarkeit zu stärken. Auch
zwischen GRI und EFRAG besteht seit Ende 2023 eine Kooperationsvereinbarung,
die eine weitgehende Kompatibilität der Standards sicherstellen soll. Doch
dieses fragile Gleichgewicht könnte durch eine tiefgreifende Revision der ESRS
ins Wanken geraten.
Gefahr einer Fehlausrichtung
Sollte Europa im
Zuge der ESRS-Überarbeitung zu stark von den globalen Rahmenwerken abweichen,
drohen Probleme. Für international tätige Unternehmen würde dies bedeuten,
künftig nach unterschiedlichen Logiken berichten zu müssen – einerseits nach
den vereinfachten, EU-internen ESRS, andererseits nach ISSB oder GRI für andere
Märkte. Das würde nicht nur den administrativen Aufwand erhöhen, sondern auch
die Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsdaten erschweren – genau das Gegenteil
dessen, was mit der Harmonisierung ursprünglich beabsichtigt war. 2026 steht
die Europäische Kommission daher vor der Aufgabe, den europäischen
Nachhaltigkeitsrahmen so weiterzuentwickeln, dass er für Unternehmen
praktikabel bleibt, ohne den Anschluss an globale Entwicklungen zu verlieren.