andresrBeschäftigung und Soziales in Europa
Die Alterung der Bevölkerung prägt die Zukunft der Arbeitsmärkte.
VS – 09/2025
Am 16. September hat die
Europäische Kommission ihren Bericht
2025 über die Entwicklung der Beschäftigung und der sozialen Lage in Europa
(ESDE) veröffentlicht. Der
Bericht zeigt, dass sich die Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung in der Europäischen
Union (EU) in den letzten zehn Jahren erheblich verändert hat. So hat die
Erwerbsbeteiligung von Frauen, älteren Menschen und außerhalb der EU geborenen
Personen zugenommen und die Erwerbstätigenquote ist auf 75,8 Prozent
angestiegen. Dies sind zwar erste wichtige Erfolge, reichen
jedoch noch nicht aus, um dem zukünftigen Arbeitskräftemangel infolge der
demografischen Alterung Europas erfolgreich entgegenzuwirken. Der
ESDE-Bericht analysiert daher die Situation der 51 Millionen EU-Bürgerinnen und
-Bürger im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 64 Jahren, die derzeit nicht
erwerbstätig sind, und benennt die Hindernisse für ihre Integration in den
Arbeitsmarkt.
Positive Arbeitsmarktentwicklung
Im Jahr 2024 erholte sich die europäische
Wirtschaft dank eines starken privaten Konsums, der durch einen robusten
Arbeitsmarkt, eine geringere Inflation und in gewissem Maße auch durch
Lohnsteigerungen gestützt wurde. Die Erwerbstätigenquote stieg um 0,5 Prozentpunkte
auf 75,8 Prozent (in Deutschland um 0,3 Prozentpunkte auf 81,3 Prozent).
Damit ist die EU auf dem besten Weg, ihr beschäftigungspolitisches Ziel bis
2030 zu erreichen: eine Erwerbstätigenquote von 78 Prozent.
Demografische Alterung bremst Wachstumspotential Europas
Ohne weitere politische Maßnahmen oder
Verhaltensänderungen wird die Alterung der Bevölkerung jedoch das
Wirtschaftswachstum und die Fähigkeit der EU-Länder, ihren Lebensstandard
weiter zu verbessern, erheblich belasten. Die Mobilisierung ungenutzter Arbeitskräftereserven
könnte hingegen dazu beitragen, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und den
Effekt der demografischen Alterung abzuschwächen oder gar zu kompensieren.
Ein Fünftel des Arbeitskräftepotenzials ist nicht erwerbstätig
Insbesondere Frauen, Menschen im Alter von 55
bis 64 Jahren, Migranten und Menschen mit Behinderungen sind weiterhin nicht in
den Arbeitsmarkt integriert. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Frauen sind hauptsächlich
aufgrund familiärer Verpflichtungen, fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten
und begrenzter steuerlicher Anreize nicht erwerbstätig. Im Bericht wird betont,
dass der Ausbau der Kinderbetreuung in einigen Ländern die Erwerbstätigenquote
von Frauen um bis zu 30 Prozent steigern und das Bruttoinlandsprodukt um 1,7
Prozent erhöhen könnte.
Die Teilhabe von Migranten am Erwerbsleben wird
hauptsächlich durch Sprachbarrieren und die schwierige Anerkennung von
Abschlüssen behindert. Der besseren Einbeziehung von Menschen mit
Beeinträchtigung stehen Vorurteile und ein Mangel an spezifischer Vermittlung
entgegen.
Wirtschaftliche Potenziale älterer Menschen nutzen
Der Bericht hebt hervor, dass fast 20 Millionen
ältere Menschen nicht erwerbstätig sind – häufig aufgrund der Regelungen der
Rentensysteme sowie gesundheitlicher Probleme. Um den unterschiedlichen
individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden und ältere Beschäftigte dazu zu
befähigen, länger im Erwerbsleben zu bleiben, empfiehlt der Bericht ein breites
Bündel an Maßnahmen. Hierzu zählen flexible Regelungen zum Renteneintritt sowie
Investitionen in die Qualifizierung und Gesundheit älterer Erwerbstätiger.
OECD attestiert Nachholbedarf bei der Weiterbildung
Auch der Beschäftigungsausblick 2025 der Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
befasst sich mit den Herausforderungen für den Arbeitsmarkt und das
Wirtschaftswachstum, die mit der demografischen Alterung einhergehen. Dabei
betont die OECD, die Notwendigkeit lebenslanger Investitionen in
Qualifikationen und Gesundheit. Die Auswertungen zeigen jedoch, dass die
Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen ab dem Alter von 55 Jahren stark
zurückgeht. So nahmen im Jahr 2023 nur gut ein Drittel der 55- bis 65-Jährigen
an einer Weiterbildungsmaßnahme teil, verglichen mit über der Hälfte der 25-
bis 44-Jährigen. Von diesem Rückgang der Weiterbildungsquoten sind insbesondere
hoch- und höherqualifizierte ältere Beschäftigte betroffen. Der ESDE-Bericht
ist daher auch als Weckruf zu verstehen, bei der Diskussion, um die
Wettbewerbsfähigkeit Europas die Investitionen in die Menschen nicht zu
vergessen.