Konferenz zum sozialen Europa findet zum dritten Mal in Porto statt.

HS – 09/2025

Am 18. und 19. September richtete die Europäische Kommission gemeinsam mit Portugal das Porto Social Forum 2025 aus, um das soziale Europa in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Der diesjährige Themenschwerpunkt war die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine starke Sozialagenda. Unter der Überschrift „Quality jobs in a competitive Europe“ diskutierten hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Institutionen der Europäischen Union (EU), der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner die Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte, die Förderung hochwertiger Arbeitsplätze und die Rolle von Wettbewerbsfähigkeit, sozialer Fairness und sozialem Dialog im grünen und digitalen Wandel.

Soziale Fairness und Wettbewerbsfähigkeit

In ihrem Eingangsstatement erklärte Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Roxana Mînzatu, dass die soziale Dimension und Wettbewerbsfähigkeit Europas untrennbar miteinander verbunden seien. Arbeitskräftemangel, geringe Produktivität und Qualifikationslücken ließen sich nicht durch niedrigere Löhne oder den Abbau von Sozialschutz beheben, sondern durch die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze. Der angekündigte Quality Jobs Act solle daher drei Schwerpunkte haben: Rechte, Digitalisierung und Übergänge. Arbeitsrechte sollen gestärkt werden, um faire Bezahlung und sichere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten – insbesondere in prekären Arbeitsverhältnissen – zu gewährleisten. Die Digitalisierung solle derart gestaltet werden, dass die Chancen für Produktivität und Innovation genutzt, aber auch die Risiken mit Blick auf Arbeitsplatzunsicherheit und einen schwächeren Schutz der Beschäftigten abgewehrt werden. Übergänge schließlich beziehe sich auf die Notwendigkeit, Beschäftigte auf Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt vorzubereiten. Auch die Arbeitsmobilität müsse fair gestaltet werden: Freizügigkeit im Binnenmarkt erfordere gleiche Rechte, Anerkennung von Qualifikationen, Sozialschutz und Schutz vor Sozialdumping. Bezüglich des für 2026 angekündigten Labour Mobility Package sagte Mînzatu, es gelte ein Gleichgewicht zu finden zwischen Chancen und Freiheiten einerseits und Absicherung der Arbeitskräfte andererseits.

Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte

Eine der Podiumsdiskussionen widmete sich der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte. Leitend waren die Fragen, wie ein neuer Aktionsplan die Wettbewerbsfähigkeit der EU in Zeiten wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheit stärken kann und welche politischen Maßnahmen darin aufgenommen werden sollten. Ein Vertreter der European Trade Union Confederation (ETUC) betonte, dass Wettbewerbsfähigkeit nicht auf niedrigen Löhnen, prekären Jobs oder Sozialdumping beruhen dürfe, sondern auf Qualitätsarbeitsplätzen, starker Tarifbindung und soliden sozialen Sicherungssystemen aufbauen müsse. Er forderte verbindliche Indikatoren für ein viertes Ziel bis 2030 zu hochwertigen Arbeitsplätzen unter dem Aktionsplan. Darüber hinaus müsse ein neuer Aktionsplan die konsequente Umsetzung bestehender Richtlinien – etwa zu Mindestlöhnen, Entgelttransparenz und Plattformarbeit – sowie Investitionen zur Unterlegung sozialer Ambitionen mit finanziellen Mitteln vorsehen. Eine Vertreterin des European Anti-Poverty Network (EAPN) stellte in ihrem Beitrag den im Rahmen des Sozialforums vielfach betonten Zusammenhang von sozialer Fairness und Wettbewerbsfähigkeit in Frage. Sie warnte, dass soziale Fairness leide, wenn essenzielle Dienstleistungen dem Markt unterstellt und Arbeitsmärkte dereguliert würden. Soziale Rechte dürften daher nicht der Wettbewerbslogik untergeordnet werden; vielmehr müsse die Europäische Säule sozialer Rechte das wirtschaftliche Modell der EU leiten.

Freie und faire Arbeitsmobilität

Ein weiteres Panel widmete sich dem Thema der freien und fairen Arbeitsmobilität, auch mit Blick auf das geplante Labour Mobility Package. Thematisiert wurden vorrangig Fragen der Durchsetzung, Modernisierung und Vereinfachung der geltenden Regeln und Verfahren. Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner thematisierten Herausforderungen wie missbräuchliche Entsendungen, Briefkastenfirmen, lange Subunternehmerketten sowie die unklare Rechtslage bei der Entsendung von Drittstaatsangehörigen. Sie diskutierten außerdem das Potenzial digitaler Lösungen im Kontext der Mobilität. Als wichtiges Beispiel wurde der Europäische Sozialversicherungspass (ESSPASS) genannt, der sowohl Unternehmen als auch mobilen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Verfahren erleichtern und Missbrauch im Bereich der sozialen Sicherheit verringern könnte. Eine Vertreterin Dänemarks sprach sich dafür aus, den ESSPASS ambitionierter zu denken und um eine Europäische Arbeitskarte zu erweitern, die Beschäftigungsverhältnisse transparent abbildet und so Sozialdumping vorbeugt. Deutlich wurde auch, dass gute Arbeitsbedingungen die Voraussetzung für faire Mobilität sind. Michael Schäfer, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), betonte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit eines EU-weiten, öffentlich finanzierten Beratungsnetzwerks für Beschäftigte in prekären Sektoren, welches aus deutscher Sicht Teil des Labour Mobility Package sein sollte.

Hochwertige Arbeitsplätze als Ziel für 2030

Schließlich widmete sich auch eine Podiumsdiskussion der Frage nach einem möglichen vierten Ziel zu hochwertigen Arbeitsplätzen im Rahmen des neuen Aktionsplans zur Europäischen Säule sozialer Rechte. Estelle Ceulemans (S&D, BE) unterstrich für den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) des Europäischen Parlaments vier Prioritäten: die Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie, Maßnahmen gegen psychosoziale Risiken, ein individuelles Recht auf Weiterbildung sowie ein starker Sozialschutz, insbesondere im Kontext der aktuellen multiplen Übergänge. Aus Sicht des EMPL müssten vor der Formulierung eines neuen Ziels die drei bisherigen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Ein neues Ziel sei nur sinnvoll, wenn es ausreichend ambitioniert sei und sichergestellt werden könne, dass es tatsächlich zu mehr hochwertigen Arbeitsplätzen beitragen kann. Staatssekretär Michael Schäfer hob schließlich zwei Themen hervor, die aus deutscher Sicht von besonderer Bedeutung für hochwertige Arbeitsplätze seien: faire Arbeitsmobilität und künstliche Intelligenz (KI). Er sprach sich unter anderem für die Einführung des ESSPASS, klare Regeln für die Entsendung von Drittstaatsangehörigen und eine stärkere Durchsetzung rechtlicher Standards in Subunternehmerketten aus. Bezüglich KI forderte er maßgeschneiderte rechtliche und praktische Lösungen. Die geltenden EU-Regeln seien überwiegend querschnittsorientiert und unzureichend. Deutschland begrüße deshalb die geplante Initiative der Europäischen Kommission zu algorithmischem Management, wobei Raum für ergänzende nationale Regelungen bleiben müsse, um der jeweiligen Situationen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen.

Hintergrund des Sozialforums

Die Konferenz geht auf den Porto Social Summit 2021 zurück, bei dem der von der Europäischen Kommission im März 2021 vorgelegte Aktionsplan zur Europäischen Säule sozialer Rechte bestätigt und politisch bekräftigt wurde. Die Porto Summit Declaration 2021 wurde von der Kommissionspräsidentin und den Präsidenten des Rates und des Europäischen Parlaments sowie von Vertretern der Sozialpartner unterschrieben. Auch der Europäische Rat bekräftigte durch eine eigene Porto-Erklärung die sozialen Ziele der Säule, insbesondere die Umsetzung der Kernziele bis 2030. Das Forum sollte danach alle zwei Jahre in Porto stattfinden. Auch im Jahr 2023 bestätigten 37 europäische Politikerinnen und Politiker ihr Engagement für ein soziales Europa. Dieses Jahr konnten sich die teilnehmenden Akteure nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen. Während einige Delegationen inhaltliche Vorbehalte hatten, äußerte das Europäische Parlament Kritik, weil es erst zu spät in den Prozess eingebunden worden sei.