Feedback der Deutschen Sozialversicherung vom 20. März 2024
Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zur Einrichtung einer gemeinsamen Datenplattform für Chemikalien und zur Festlegung von Vorschriften, die sicherstellen sollen, dass die darin enthaltenen Daten auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar sind, sowie zur Schaffung eines Überwachungs- und Prospektivrahmens für Chemikalien
Vorbemerkung
Die deutsche Sozialversicherung (DSV) begrüßt die Initiative der Kommission zum Aufbau einer einheitlichen Plattform für Chemikalien, um Daten für die interessierten Kreise auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar zu machen.
Bislang ist die Chemikalienbewertung ein in weiten Teilen intransparenter Prozess. Dies ist insbesondere darin begründet, dass die Grundlagen, die zu einer Bewertung führen, nicht öffentlich verfügbar sind. Mit der geplanten Initiative und dem hieraus folgenden Zugang zu allen verfügbaren Informationen innerhalb der Datenbank, würde nicht nur mehr Transparenz geschaffen, sondern die Bewertung von Chemikalien auch nachvollziehbarer werden. Dies könnte dem Prozess der Chemikalienbewertung insgesamt zu mehr Akzeptanz verhelfen.
Stellungnahme
Im Hinblick auf die Verwaltung der Datenplattform halten wir den Aufbau eines Lenkungsausschusses für wertvoll. Die Vorgaben zur Zusammensetzung des Gremiums sollten aus Sicht der DSV gleichwohl hinterfragt und überdacht werden. Die Beteiligung der Kommission ist grundsätzlich als sinnvoll zu erachten. Dennoch sollte der Ausschuss, der die Kommission gemäß Artikel 4 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags zukünftig zur Governance-Struktur der Datenplattform beraten soll, überwiegend mit Vertreterinnen und Vertretern der Agenturen, und damit aus dem fachlichen Bereich, besetzt sein. Eine Beratung, beispielsweise zu verwendeten Standarddatenformaten und wissenschaftlichem Vokabular, kann aus unserer Sicht am besten durch diejenigen erfolgen, die die Informationen der Datenplattform tatsächlich in der Praxis nutzen.
Die in Artikel 6 vorgesehene Aufforderung an die Europäische Umweltagentur (EUA), mehr Daten zum Humanbiomonitoring zusammenzutragen und/oder zu erheben, wird von der DSV ausdrücklich unterstützt. Gleiches gilt für die in Artikel 7 des Vorschlags zur Informationsplattform für Chemikalienüberwachung (IPCHEM) vorgesehene Aufforderung an die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) bezüglich Daten zum Luftmonitoring. Die Ermittlung der Daten kann dazu beitragen, den Stand der Technik besser zu verifizieren. Vergleichbare Daten zu Expositionen gegenüber Gefahrstoffen dienen zudem dazu, verstärkt Anstrengungen auf den Weg zu bringen, den Arbeitsschutz auf ein höheres und EU-weit gleichmäßigeres Niveau anzuheben.
Die DSV unterstützt weiterhin die vorgesehene Einführung eines einheitlichen Formats für Chemikaliendaten sowie die Verwendung einheitlicher Begriffe gemäß Kapitel III des Verordnungsvorschlags. Nur so kann die bereichsübergreifende Nutzung und korrekter Verwendung der verfügbaren Daten sichergestellt werden.
Im Hinblick auf die derzeit in Artikel 16 des Verordnungsvorschlags vorgesehenen Zugangsrechte lehnt die DSV allerdings den Zugriff auf die vollständige Datenbank ausschließlich für Behörden ab. In gleicher Weise wie Behörden sollte wissenschaftlichen Gremien, wie der ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (MAK-Kommission), als auch gesetzlichen Versicherungen ein vollständiger Zugriff gewährt werden. Demgegenüber ist ein begrenzter Zugriff der breiten Öffentlichkeit auf die Datenplattform aus unserer Sicht vertretbar.
Die DSV begrüßt, dass die geplante Datenplattform es der ECHA ermöglichen kann, aufgrund der verbesserten Verfügbarkeit von Daten, ein Frühwarnsystem zur Identifizierung von (neuen) Gefährdungen durch Chemikalien zu etablieren.
Wir weisen in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass ein Frühwarnsystem nur funktionieren kann, wenn qualitative und nutzbare Daten vorliegen. Der in Artikel 21(3) des Verordnungsvorschlags vorgesehene Mechanismus zur Datengenerierung beschneidet jedoch die Funktionsweise des Frühwarnsystems. Dies gilt es zu überdenken. Das Einbeziehen von unvollständigen Daten sollte vermieden werden. Daher sollte die ECHA auch dazu befugt werden, wissenschaftliche Studien in Auftrag zu geben, wenn die Datenlage gering, lückenhaft oder bereichsspezifisch eingeschränkt ist.
Des Weiteren halten wir es für essenziell, sicherzustellen, dass die Unabhängigkeit der ECHA und ihrer Prozesse gewahrt wird und die erforderliche Expertise zur Bewertung eines Stoffes in Bezug auf alle verschiedenen Bereiche vorhanden ist. Als Beispiel seien hier die Aufgaben des früheren wissenschaftlichen Ausschusses für Grenzwerte berufsbedingter Exposition gegenüber chemischen Arbeitsstoffen (Scientific Committee on Occupational Exposure Limits, SCOEL) genannt. In dessen Bewertungen fließen neben der Gefährdungsermittlung eines Stoffes auch eine umfassende Expertise bezüglich der Exposition mit Gefahrstoffen in Betrieben sowie eine arbeitsmedizinische und epidemiologische Expertise ein.
Aus unserer Sicht ist die in Kapitel VIII vorgesehene umfassende Übertragung der Befugnis auf die Kommission, die gesamten Prozesse und Umsetzungsstrategien auf Basis delegierter Rechtsakte zu beschließen, im Kontext der kurzfristigen Übertragung zahlreicher Aufgaben an die ECHA äußerst kritisch zu sehen. Dies gilt auch dann, wenn dies nur für einen Zeitraum von fünf Jahren bestimmt ist. Denn eine Beteiligung des Europäischen Parlamentes würde auf einen Einwand reduziert. Delegierte Rechtsakte dienen der Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften eines Rechtsaktes mit Gesetzescharakter, hier deutet sich jedoch ein weitgehendes Vorgehen an.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die aufgrund größerer Aufgabenfelder und Zuständigkeiten auftretenden Mehrbelastungen insbesondere bei der ECHA und der EUA sichtbar und mit entsprechenden Mitteln für Personal und sonstige Kosten berücksichtigt werden. Entsprechend werden auch bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission (Joint Research Centre, JRC) zusätzliche Aufwände gesehen und entlohnt. Dieses sollte aus Sicht der DSV gleichsam auch für die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) gelten. Die EU-OSHA sollte daher gleichberechtigt gestärkt und personell und finanziell entsprechend ausgestattet werden. Nur eine gemeinsame und umfassende Berücksichtigung aller beteiligten Bereiche kann dafür sorgen, die Initiative zu einem Erfolg werden zu lassen.
Über uns
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), der GKV-Spitzenverband, die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) haben sich mit Blick auf ihre gemeinsamen europapolitischen Interessen zur „Deutschen Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa e.V.“ zusammengeschlossen. Der Verein vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber den Organen der Europäischen Union sowie anderen europäischen Institutionen und berät die relevanten Akteure im Rahmen aktueller Gesetzgebungsvorhaben und Initiativen. Die Kranken- und Pflegeversicherung mit 74 Millionen Versicherten, die Rentenversicherung mit 57 Millionen Versicherten und die Unfallversicherung mit mehr als 70 Millionen Versicherten in 5,2 Millionen Mitgliedsunternehmen bieten als Teil eines gesetzlichen Versicherungssystems den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wirksamen Schutz vor den Folgen großer Lebensrisiken.