Feedback der Deutschen Sozialversicherung vom 6. Februar 2024

Europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) – Überprüfung

Vorbemerkung

Im Rahmen der Schaffung einer Europäischen Gesundheitsunion hat die Europäische Kommission am 16. September 2021 die Health Emergency Preparedness and Response Authority (HERA) als Generaldirektion bei der Europäischen Kommission eingerichtet. Als Krisenbehörde ist sie für die Vorsorge und Reaktion auf schwerwiegende grenzüberschreitende Bedrohungen im Bereich der medizinischen Gegenmaßnahmen zuständig. Zu ihrem Mandat gehören die EU-weite Koordinierung der Gesundheitssicherheit, die Bekämpfung strategischer Abhängigkeiten innerhalb der Europäischen Union (EU) bei der Entwicklung, Herstellung und Beschaffung medizinischer Gegenmaßnahmen sowie die Stärkung globaler Strukturen der Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen.

Die Evaluierung der Europäischen Kommission bietet die Chance, das Mandat der HERA zu erweitern, ihre Transparenz und Rechenschaftspflicht zu verbessern, angemessene finanzielle Mittel zu erhalten und ihre Rolle im Verhältnis zu anderen EU-Organisationen klarer zu definieren.

Aus Sicht der DSV sollte eine Weiterentwicklung des HERA-Mandats mit angemessener finanzieller Ausstattung und einer verbesserten Transparenz in der Governance angestrebt werden. Eine Weiterentwicklung der HERA in eine effiziente und transparente EU-Einrichtung kann nur in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten erfolgen, um die gesundheitliche Vorsorge und Reaktionsfähigkeit der EU langfristig zu stärken. Dies stünde im Einklang mit den Lehren aus der COVID-19-Pandemie. Im Mittelpunkt der Arbeit der HERA muss immer die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten in der EU stehen, sowohl in Bereitschafts- als auch in Krisenzeiten.

Stellungnahme

HERA-Mandat und Aufgaben

Die HERA konnte bislang wichtige Handlungsspielräume sinnvoll nutzen, zum Beispiel bei der Beschaffung von Impfstoffen gegen Affenpocken, bei der Erstellung einer Prioritätenliste von Gesundheitsgefahren, bei der Bestandsaufnahme von medizinischen Gegenmaßnahmen sowie bei vorbereitenden Studien zur Finanzierung und Beschaffung von krisenrelevanten Medikamenten.

Aus Sicht der DSV muss die Rolle der HERA aber noch klarer definiert werden, insbesondere wenn es um den „Bereitschaftsmodus“ („Preparedness“) der HERA geht.

Bei den Herausforderungen durch Arzneimittelknappheiten und vor allem bei der Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen sollte die HERA aus Sicht der DSV in Zukunft eine stärkere Rolle einnehmen. Denn die Gesundheitsgefährdung durch resistente Erreger stellt eine potenzielle Notlage mit Auswirkungen auf alle EU-Mitgliedstaaten dar. Um Anreize für die Entwicklung von Arzneimitteln gegen resistente Keime zu schaffen, sollten auf EU-Ebene, z. B. über die HERA, umsetzbare Instrumente im Rahmen eines „Push-and-Pull-Schemas“1 entwickelt werden. Dies kann gelingen, wenn auf der Vergütungsebene Absatzmenge und Preis von Arzneimitteln voneinander entkoppelt werden. Die Grundlagen für die gemeinsame, koordinierte Umsetzung dieses Modells sind auf EU-Ebene zu legen.

Über die HERA können auch frühe Phasen der Forschung und Entwicklung von antimikrobiellen Arzneimitteln gefördert werden. Ein wesentliches Hindernis für die Entwicklung dieser Produkte ist bereits heute die Beschaffung von ausreichend Risikokapital für Investitionen in frühe klinische Studien. Um mehr Entwicklungen zur Marktreife zu bringen, bedarf es einer effektiven öffentlichen Forschungsförderung, die auf bestehenden europäischen Initiativen wie HERA Invest aufbaut. Darüber hinaus bleibt die intensive Beforschung und Förderung von Strategien zur Infektionsvermeidung wesentlicher Baustein für die Verhinderung der Bildung antimikrobieller Resistenzen.

HERA-Governance

Im Streben nach einem wirksameren und koordinierten Ansatz für die Bekämpfung von Gesundheitsgefahren aller Art ist es sinnvoll, dass die HERA die Mitgliedstaaten unterstützt. Die europäischen Institutionen haben die gesamte Union im Blick. Für die Details der vielschichtigen und hochkomplexen Gesundheits- und Pflegesysteme sind sie auf die Akteure in den Mitgliedstaaten angewiesen. Es muss daher sichergestellt werden, dass die gesundheitspolitische Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nicht verletzt wird. Die Fähigkeit der HERA, in Krisenzeiten rasch und unter Umständen grenzüberschreitend zu reagieren, muss in politische Steuerungsstrukturen gebettet werden, die eine enge Abstimmung mit den Mitgliedstaaten gewährleisten.

Darüber hinaus erfordert die Verwendung öffentlicher Gelder für die Entwicklung medizinischer Gegenmaßnahmen weitere Maßnahmen wie zum Beispiel die Schaffung transparenter Strukturen und die Einführung von Rechenschaftspflichten. Die DSV stimmt zu, dass öffentliche Investitionen, die in die Entwicklung medizinischer Gegenmaßnahmen durch private Unternehmen fließen, sind kostenmindernd bei der Erstattung daraus resultierende Produkte, wie Arzneimittel, medizinische Ausrüstung, diagnostische Tests oder persönliche Schutzausrüstung wie Handschuhe oder Masken durch die Mitgliedstaaten oder die nationalen Kostenträger zu berücksichtigen. In der Kostenerstattung muss sich widerspiegeln, dass diese medizinischen Gegenmaßnahmen mit öffentlichen Mitteln entwickelt wurden. Die Krisen- und Bereitschaftskapazitäten für Forschung, Entwicklung, Produktion, Lagerung und Vertrieb der krisenrelevanten Produkte müssen jederzeit vollständig vorgehalten werden.

Derzeit gibt es nur eine begrenzte Transparenz in der Governance der HERA, da Informationen über die Zusammensetzung und Arbeit des HERA-Advisory- und HERA Civil Society Advisory Forums fehlen. Mehr Transparenz an dieser Stelle wäre wünschenswert.



Über uns

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), der GKV-Spitzenverband, die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) haben sich mit Blick auf ihre gemeinsamen europapolitischen Interessen zur „Deutschen Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa e.V.“ zusammengeschlossen. Der Verein vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber den Organen der Europäischen Union sowie anderen europäischen Institutionen und berät die relevanten Akteure im Rahmen aktueller Gesetzgebungsvorhaben und Initiativen. Die Kranken- und Pflegeversicherung mit 74 Millionen Versicherten, die Rentenversicherung mit 57 Millionen Versicherten und die Unfallversicherung mit mehr als 70 Millionen Versicherten in 5,2 Millionen Mitgliedsunternehmen bieten als Teil eines gesetzlichen Versicherungssystems den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wirksamen Schutz vor den Folgen großer Lebensrisiken.

DSV-Feedback zur Überprüfung der HERA