Stellungnahme der Deutschen Sozialversicherung vom 17. Oktober 2025
Änderung der Richtlinie 2004/37/EG hinsichtlich der Aufnahme von Stoffen und der Festlegung von Grenzwerten in den Anhängen I, III und IIIa.
Vorbemerkung
Die Europäische Kommission hat am 18. Juli 2025 einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über Karzinogene, Mutagene und reproduktionstoxische Stoffe (CMRD)1 hinsichtlich der Aufnahme von Stoffen und der Festlegung von Grenzwerten in den Anhängen I, III und IIIa. vorgelegt. Mit dieser 6. Änderung der CMRD sollen Grenzwerte für Kobalt und anorganische Kobaltverbindungen, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie 1,4-Dioxan eingeführt werden. Zudem sollen Arbeiten mit Exposition gegenüber Schweißrauch in Anhang I aufgenommen und der bestehende Eintrag zu Quecksilber und divalenten anorganischen Quecksilberverbindungen in Anhang III berichtigt werden.
Die Deutsche Sozialversicherung (DSV) begrüßt das Ziel der Europäischen Kommission, die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz kontinuierlich zu verbessern. Der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor krebserzeugenden, mutagenen oder reproduktionstoxischen Stoffen (CMR-Stoffen) ist ein wesentlicher Beitrag zur Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen. Europaweit einheitliche Grenzwerte sichern dabei nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten, sondern tragen zugleich zu verlässlichen Rahmenbedingungen und gleichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen in Europa bei. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Kobalt, PAK, 1,4-Dioxan sowie Tätigkeiten mit Schweißrauch stellt daher einen wichtigen Schritt dar. Dennoch gibt es aus Sicht der DSV einige Punkte, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren unbedingt berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören die wirksame Nutzung der Übergangsfristen für Innovationen und Substitutionen, die Stärkung der Arbeitsschutzkompetenz in der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) sowie die besonderen Anforderungen bei Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Schweißrauch.
Stellungnahme
Arbeiten, bei denen Schweißrauch entsteht
Die Europäische Kommission schlägt vor, Arbeiten mit Exposition gegenüber Schweißrauch, der CMR-Stoffe enthält, in den Anhang I der CMRD aufzunehmen. Die DSV unterstützt diesen Vorschlag ausdrücklich und setzt sich dafür ein, dass diese Regelungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren unangetastet bleiben. Die DSV begrüßt darüber hinaus, dass die Europäische Kommission davon abgesehen hat, einen generellen Arbeitsplatzgrenzwert für Schweißrauch einzuführen.
Je nach Schweißverfahren sowie den eingesetzten Grundwerkstoffen (z. B. die Metalle oder Legierungen, die verschweißt werden) und Zusatzwerkstoffen (z. B. Elektroden, Schweißdrähte oder Schweißstäbe) ist die Zusammensetzung von Schweißrauch sehr heterogen. Deshalb existiert in Deutschland auch kein einheitlicher Grenzwert für „Schweißrauch“, vielmehr gilt der allgemeine Staubgrenzwert (alveolengängiger Staub). Die toxikologisch relevanten Bestandteile des Schweißrauchs werden einzeln bewertet und auf dieser Basis konkrete Schutzmaßnahmen zur Minimierung der Exposition abgeleitet.
Um den Gesundheitsschutz europaweit zu verbessern und Schweißprozesse zu optimieren, regt die DSV an, den Austausch von Best-Practice-Beispielen stärker zu fördern. So engagiert sich zum Beispiel in Deutschland die gesetzliche Unfallversicherung gemeinsam mit Partnern2 im Rahmen der Initiative „SICHER SCHWEISSEN“.3 Ziel ist es, das Thema aktiv in die Betriebe zu tragen, Beschäftigte zu sensibilisieren, Schweißrauchemissionen sowie die Exposition zu verringern und damit Gesundheitsrisiken wirksam zu minimieren. Ein zentrales Element stellt dabei das Schweißrauchminderungsprogramm dar. Es verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der alle relevanten Faktoren berücksichtigt, von der Reduktion der Emissionen über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und den Einsatz geeigneter Schutzmaßnahmen bis hin zur Sauberkeit am Arbeitsplatz. Schon vergleichsweise leicht umzusetzende Maßnahmen – etwa die Vermeidung wiederaufgewirbelten Staubs, die Optimierung von Arbeitsabläufen oder die Positionsveränderung bei den Schweißarbeiten – können die Exposition spürbar verringern.
Grenzwerte
Die DSV unterstützt ausdrücklich den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Einführung neuer Arbeitsplatzgrenzwerte für Kobalt und anorganische Kobaltverbindungen4, PAK5 und 1,4-Dioxan6. Dies ist für Kobalt und seine anorganischen Verbindungen besonders relevant, da die Nachfrage nach Kobalt im Zuge der grünen Transformation deutlich steigen wird, insbesondere durch die wachsende Nachfrage nach Batterien, den Übergang von fossilen Energieträgern zu alternativen Technologien sowie die zunehmende Bedeutung von Recycling und Rückgewinnung kritischer Rohstoffe. Mit den vorgeschlagenen Grenzwerten wird das Schutzniveau für zahlreiche Beschäftigte in Europa deutlich erhöht – beispielsweise für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der pharmazeutischen Produktion, in Laboren und in der chemischen Industrie im Fall von 1,4-Dioxan sowie bei der Feuerwehr, Kfz-Wartung und -Reparaturen und im Straßenbau im Fall von PAK. In Deutschland bestehen bereits biologische Grenzwerte und Arbeitsplatzgrenzwerte für die Stoffe, die im Vorschlag zur 6. Änderung der CMRD adressiert werden. In vielen Fällen zählen diese Regelungen zu den strengsten innerhalb der EU.
Die DSV betont, dass die vorgesehenen Übergangsregelungen aktiv genutzt werden müssen, um Substitutionsprozesse voranzutreiben und Innovationen zu fördern, die langfristig sicherere Alternativen ermöglichen. Ziel sollte es dabei sein, eine konsequente Umsetzung der Grenzwerte in allen betroffenen Branchen sicherzustellen. Damit dies gelingt, sind begleitende Maßnahmen – etwa Beratungsangebote der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung – unerlässlich. Darüber hinaus können EU-Förderprogramme gezielt dazu beitragen, Investitionen in den Arbeitsschutz zu unterstützen.
Arbeitsschutzexpertise in der ECHA
Die DSV setzt sich dafür ein, dass innerhalb der ECHA die notwendige Fachkompetenz in allen relevanten Bereichen vorhanden ist, um Stoffbewertungen fundiert und ganzheitlich vornehmen zu können. Für die Arbeit des Ausschusses für Risikobeurteilung (RAC) ist entscheidend, dass neben der Gefährdungsermittlung eines Stoffes auch umfassende Kenntnisse zur Exposition gegenüber Gefahrstoffen in Betrieben sowie arbeitsmedizinische und epidemiologische Expertise in die Bewertung einfließen. Seit 2019 unterstützt er dabei die Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration (GD EMPL) der Europäischen Kommission und trägt mit seiner Arbeit wesentlich dazu bei, die potenziellen gesundheitlichen Auswirkungen der beruflichen Exposition gegenüber Chemikalien wissenschaftlich zu bewerten.
Über uns
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), der GKV-Spitzenverband, die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) haben sich mit Blick auf ihre gemeinsamen europapolitischen Interessen zur „Deutschen Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa e.V.“ zusammengeschlossen. Der Verein vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber den Organen der Europäischen Union sowie anderen europäischen Institutionen und berät die relevanten Akteure im Rahmen aktueller Gesetzgebungsvorhaben und Initiativen. Die Kranken- und Pflegeversicherung mit 75 Millionen Versicherten, die Rentenversicherung mit 57 Millionen Versicherten und die Unfallversicherung mit mehr als 70 Millionen Versicherten in 5,2 Millionen Mitgliedsunternehmen bieten als Teil eines gesetzlichen Versicherungssystems den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wirksamen Schutz vor den Folgen großer Lebensrisiken.