Feedback der Deutschen Sozialversicherung vom 25. Februar 2025
Sondierung der Europäischen Kommission zu einem Vorschlag für eine Verordnung zu kritischen Arzneimitteln (Critical Medicines Act)
Vorbemerkung
Eine stabile und bedarfsgerechte Arzneimittelversorgung sicherzustellen, ist eine gemeinsame europäische Herausforderung. Der geplante Verordnungsvorschlag zu kritischen Arzneimitteln (Critical Medicines Act - CMA) kann einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Versorgungssicherheit bei kritischen Arzneimitteln leisten. Um dieses Ziel gemeinsam zu erreichen, ist es entscheidend, dass die geplante Verordnung die Reform des europäischen Arzneimittelrechts sinnvoll ergänzt, bestehende nationale Maßnahmen einbezieht und die Finanzierbarkeit der Gesundheitssysteme in der Europäischen Union (EU) berücksichtigt.
Stellungnahme
Evidenzbasierte und transparente Maßnahmen
Die DSV begrüßt das Ziel des CMA, die Abhängigkeit von wenigen Herstellern und außereuropäischen Produktionsstandorten zu verringern. Lieferengpässe haben jedoch vielfältige Ursachen. Ein stärkerer Bezug von Produkten aus Europa allein garantiert keine Versorgungssicherheit. Es ist zentral, das Markt- und Versorgungsgeschehen zu beobachten und die Ursachen von Engpässen zu analysieren. Eine umfassende Datenübersicht ist eine notwendige Grundlage für Maßnahmen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit. Diese müssen nachweislich wirken, ohne die Kosten für Arzneimittel unverhältnismäßig zu steigern. Eine Klassifizierung als „kritisches Arzneimittel” muss ebenfalls auf evidenzbasierten und transparenten Kriterien beruhen. Ob ein Arzneimittel diese Kriterien weiterhin erfüllt, muss regelmäßig überprüft werden.
Diversifizierung als industriepolitische Aufgabe
Diversifizierungsmaßnahmen stellen eine industriepolitische Aufgabe dar. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn die EU aus eigenen finanziellen Mitteln Programme zur Standortförderung und Stärkung der Arzneimittelproduktion umsetzt. Beitragsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung dürfen hierfür nicht zweckentfremdet werden. Die Förderung der Diversifizierung der Produktion von Arzneimitteln, Vorprodukten und Hilfsstoffen sowie Investitionen in europäische Produktionskapazitäten müssen nachweislich zu einer höheren Versorgungssicherheit beitragen. Die Verlagerung von Produktionskapazitäten erhöht die Souveränität der Arzneimittelversorgung nur, wenn sie nicht zu einer erneuten Konzentration an anderer Stelle führt. Um Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu wahren, sollte die Förderung von Produktionsstandorten höchste wirtschaftliche Effizienzkriterien anstreben, z. B. durch die Berücksichtigung neuer Produktionsmethoden, und ein Höchstmaß an globaler Wettbewerbsfähigkeit erreichen.
Effiziente öffentliche Beschaffung
Die Beschaffung und Erstattung von Arzneimitteln fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Das europäische Vergaberecht erlaubt, qualitative Kriterien neben dem Preis einzubeziehen. Gegebenenfalls ist klarzustellen, dass auch Aspekte wie Versorgungssicherheit, Produktionsstandort und Belastbarkeit der Lieferkette berücksichtigt werden können. Das Vergaberecht muss auch weiterhin eine effiziente Verwendung der Beitragsmittel gewährleisten. In Deutschland gibt es bereits gesetzliche Regelungen, die die Krankenkassen verpflichten, bei Ausschreibungen bestimmte Arzneimittel auch aus europäischer Produktion zu beziehen.
Bevorratung subsidiär umsetzen
In Deutschland bestehen für die von den Krankenkassen ausgeschriebenen Arzneimittel Bevorratungspflichten, die auf Grundlage von Verbrauchsprognosen gemeinsam mit den pharmazeutischen Unternehmen umgesetzt und überwacht werden. Bevorratungspflichten und deren subsidiäre Umsetzung durch die Akteure der Patientenversorgung sollten auch künftig möglich bleiben und im Rahmen des CMA als Lösungsansatz geprüft werden. Ergänzend kann der freiwillige EU-Solidaritätsmechanismus für Arzneimittel genutzt werden, um vorhandene, den nationalen Versorgungsbedarf übersteigende Bestände in von Engpässen betroffene Staaten umzuverteilen. Im Rahmen des CMA ist die Bevorratung von aktiven pharmazeutischen Wirkstoffen als strategische EU-Reserve zu prüfen. Dazu müssen Bestände digital und in Echtzeit erfasst werden. Der Ansatz, Arzneimittelpackungen multinational oder per QR-Code EU-weit vertriebsfähig werden zu lassen, wird ausdrücklich begrüßt.
Arzneimittelreform sinnvoll ergänzen
Der CMA muss sinnvoll mit der EU-Arzneimittelreform verzahnt werden: Ein EU-weites Frühwarnsystem könnte die Transparenz erhöhen und ein effektives Werkzeug zur Vermeidung von Versorgungsengpässen sein. Zulassungsinhaber müssen verpflichtet werden, drohende Lieferengpässe zu melden und Pläne zur Vermeidung solcher Engpässe zu erstellen. Auch für kritische Arzneimittel sind spürbare Sanktionen bei Nichteinhaltung von Lieferverpflichtungen vorzusehen.
Über uns
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), der GKV-Spitzenverband, die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) haben sich mit Blick auf ihre gemeinsamen europapolitischen Interessen zur „Deutschen Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa e.V.“ zusammengeschlossen. Der Verein vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber den Organen der Europäischen Union sowie anderen europäischen Institutionen und berät die relevanten Akteure im Rahmen aktueller Gesetzgebungsvorhaben und Initiativen. Die Kranken- und Pflegeversicherung mit 75 Millionen Versicherten, die Rentenversicherung mit 57 Millionen Versicherten und die Unfallversicherung mit mehr als 70 Millionen Versicherten in 5,2 Millionen Mitgliedsunternehmen bieten als Teil eines gesetzlichen Versicherungssystems den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wirksamen Schutz vor den Folgen großer Lebensrisiken.