Feedback der Deutschen Sozialversicherung vom 15. September 2025

Sondierung der Europäischen Kommission zu einem EU-Plan für die Gesundheit von Herz und Kreislauf


Vorbemerkung

Die Deutsche Sozialversicherung (DSV) begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission, mit einem EU-Plan für die Gesundheit von Herz und Kreislauf einen integrierten, präventionsorientierten Handlungsrahmen zu schaffen. Aus Sicht der DSV sollte die Kommission dabei der Stärkung gesundheitsförderlicher Lebensumstände Vorrang einräumen, ergänzt durch evidenzbasierte Vorsorgeangebote und eine hochwertige Versorgung einschließlich Rehabilitation und Wiedereingliederung. Nur durch einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz („Health in All Policies“) lassen sich Krankheitslast und Sterblichkeit nachhaltig verringern, was die Bevölkerungsgesundheit verbessern kann.

Die DSV befürwortet, dass die Kommission einen integrierten Rahmen für Prävention, Vorsorge und Rehabilitationsprogramme schaffen möchte, der vor allem auf veränderliche Risikofaktoren wie Rauchen, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Alkoholkonsum und psychosoziale Belastungen abzielt. Die Mitgliedstaaten haben bereits zahlreiche Initiativen ergriffen. Diese unterscheiden sich jedoch zum Teil in ihrer konkreten Ausgestaltung, da die Verantwortung für die Organisation und Finanzierung in nationaler Zuständigkeit liegt. Aus Sicht der DSV sollte ein EU-Plan daher gemeinsame Zielsetzungen, evidenzbasierte Prioritäten sowie Transparenz- und Vergleichbarkeitsstandards fördern und so Anreize für wirksame Maßnahmen schaffen. Vorbild hierfür kann der Europäische Plan gegen den Krebs sein. Wichtig ist, dass ein europäischer Rahmen durch Vergleichbarkeit, Datentransparenz und den Austausch bewährter Verfahren einen klaren Mehrwert für alle Mitgliedstaaten bietet.

Stellungnahme

Prävention

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in der EU und in hohem Maße vermeidbar: Rund 80 Prozent der kardiovaskulären Ereignisse könnten durch wirksame Prävention verhindert werden. Dennoch haben Prävention und Gesundheitsförderung im Vergleich zur kurativen Versorgung bislang einen zu geringen Stellenwert.

Der wirksame Ansatz liegt nicht in einer weiteren Medikalisierung durch zusätzliche Screenings oder eine Ausweitung von Arzneimittelverschreibungen, sondern in einem konsequenten Ansatz zur Stärkung von Verhältnis- und Verhaltensprävention sowie Gesundheitskompetenz. Ausgaben für Prävention und Gesundheitsförderung tragen nicht nur zur Senkung der Krankheitslast bei, sondern sichern auch die Erwerbsfähigkeit und Teilhabe der Bevölkerung. Im Vordergrund muss die Schaffung gesundheitsförderlicher Lebens-, Lern- und Arbeitsbedingungen stehen. Dazu zählen eine wirksame Tabak- und Alkoholpolitik, Maßnahmen zur Reduzierung von Salz-, Zucker- und Fettgehalt in Lebensmitteln, die Förderung aktiver Mobilität sowie eine systematische Stärkung von Ernährungs- und Bewegungsangeboten über alle Lebensphasen hinweg. Von besonderer Bedeutung ist die Förderung der Gesundheitskompetenz, die bereits in Bildungseinrichtungen beginnen sollte, um auch sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen wirksam zu erreichen.

Herz-Kreislauf-Prävention darf nicht auf den Gesundheitssektor beschränkt bleiben. Im Sinne eines „Health in All Policies“-Ansatzes sind auch Umwelt-, Verkehrs-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik einzubeziehen. Klimawandel und Umweltfaktoren wie Hitzeperioden, Luftverschmutzung und Extremwetterereignissen stellen zentrale Risikofaktoren dar. Ein EU-Plan sollte daher neben Gesundheitsindikatoren auch ökologische Kennzahlen (z. B. Luftqualität, Hitzetage, CO₂-Fußabdruck von Behandlungen) erfassen. Auch Lärm, ungesunde Lern- und Arbeitsbedingungen, Bewegungsmangel und falsche Ernährung sowie Suchtmittelkonsum können die Herz-Kreislauf-Gesundheit belasten, die Arbeitsfähigkeit mindern und zu Muskel-Skelett-Erkrankungen, Leistungsabfall, erhöhter Unfallgefahr und Ausfallzeiten führen.

Früherkennung und Vorsorge

Früherkennung kann wesentlich dazu beitragen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen rechtzeitig zu diagnostizieren und schwere Verläufe zu verhindern. Voraussetzung ist, dass Vorsorgemaßnahmen evidenzbasiert sind und zielgerichtet eingesetzt werden. Flächendeckende Screeningprogramme ohne klaren Nutzennachweis bergen die Gefahr von Überdiagnostik. Übermedikalisierung sollte vermieden werden. Stattdessen sind präventive Maßnahmen mit strukturierten und risikoorientierten Konzepten erforderlich, die Menschen mit bekannten Risikofaktoren – etwa Bluthochdruck, Adipositas oder familiärer Vorbelastung – gezielt ansprechen und risikofaktororientiert begleiten. Darüber hinaus müssen geschlechtsspezifische Unterschiede konsequenter berücksichtigt werden. Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen werden noch immer häufig zu spät erkannt; Forschung und Leitlinien sollten diese Lücke schließen.

Management, Pflege und Rehabilitation

Für bereits Erkrankte ist eine hochwertige, flächendeckend verfügbare Versorgung entscheidend. Dazu gehören leitliniengerechte Behandlung, kontinuierliche Nachsorge und ein bedarfsgerechter Zugang zu Rehabilitationsprogrammen. Besondere Bedeutung hat die berufliche und soziale Wiedereingliederung. Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen zu den häufigsten Ursachen für Erwerbsminderungsrenten; im Jahr 2023 entfielen rund 15 Prozent aller neuen Erwerbsminderungsrenten auf diese Diagnosegruppe. Ein EU-Plan sollte deshalb die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit ausdrücklich in den Blick nehmen.

Über uns

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), der GKV-Spitzenverband, die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) haben sich mit Blick auf ihre gemeinsamen europapolitischen Interessen zur „Deutschen Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa e.V.“ zusammengeschlossen. Der Verein vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber den Organen der Europäischen Union sowie anderen europäischen Institutionen und berät die relevanten Akteure im Rahmen aktueller Gesetzgebungsvorhaben und Initiativen. Die Kranken- und Pflegeversicherung mit 75 Millionen Versicherten, die Rentenversicherung mit 57 Millionen Versicherten und die Unfallversicherung mit mehr als 70 Millionen Versicherten in 5,2 Millionen Mitgliedsunternehmen bieten als Teil eines gesetzlichen Versicherungssystems den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wirksamen Schutz vor den Folgen großer Lebensrisiken.

DSV-Feedback zu einem EU Herz-Kreislauf Plan