Schutz vor Sommerhitze - ein Handlungsfeld für die EU?

MB – 07/2023

Der Klimawandel fordert uns alle und er bedingt, dass wir uns an veränderte Bedingungen anpassen müssen. Das betrifft alle Lebensbereiche der Menschen und damit auch das Arbeitsleben. Insbesondere Beschäftigte, die hohen Temperaturen unmittelbar ausgesetzt sind (zum Beispiel im Baubereich oder in der Landwirtschaft), müssen vor den Folgen einer Überhitzung sowie mit ihr einhergehender Belastungen, zum Beispiel durch Ozon, effektiv geschützt werden.


EUROGIP, eine französische Interessenvertretung für Fragen im Zusammenhang mit der Prävention und Versicherung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten hat zu dem Thema „Arbeit bei starker Hitze“ eine Studie erstellt, in der dargelegt wird, welche Regelungen und Präventionsmaßnahmen weltweit schon entwickelt worden sind.

Europäischer Rahmen fehlt

In der Studie wird deutlich gemacht, dass das Thema Schutz vor Hitze bei der Arbeit auf europäischer Ebene bisher nicht geregelt ist. Aktuell sei es den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, ob und welche Maßnahmen sie zum Schutz vor einer Überhitzung für erforderlich halten. Dies führe zu einer Fragmentierung der Regelungen innerhalb der Europäischen Union (EU). Aus Sicht der Gewerkschaften sei ein europäischer Rahmen mit einheitlichen Standards für alle Mitgliedstaaten sinnvoll. Die Richtlinie des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (Health and safety at work — general rules (europa.eu) wird insoweit von der Gewerkschaftsseite als nicht ausreichend erachtet.

Welche Faktoren spielen eine Rolle?

Laut der Studie spielen bei dem Thema "Sommerhitze" nicht nur hohe Lufttemperaturen, sondern auch eine hohe Luftfeuchtigkeit, verstärkte Sonnen- und Wärmeeinstrahlung sowie eine verringerte Luftzirkulation eine Rolle. Diese Faktoren würden sich maßgeblich auf die Intensität der Arbeitsbelastung der Beschäftigten auswirken. Sie würden aber auch zeigen, dass eine Messung mittels Thermometer als Richtschnur für präventive Maßnahmen nicht ausreichend ist. Es sollte vielmehr ein Zusammenspiel von Indizes für die Festlegung von Grenzwerten im Rahmen von Schutz- und Präventionsmaßnahmen herangezogen werden. Dazu gebe es verschiedene Ansätze (zum Besipiel Heat Index, Humidex, Wet-Bulb Globe Temperature/WBGT). Insbesondere der WBGT wird von einigen Ländern bereits genutzt.

Unterschiedliche Ansätze der Nationalstaaten

In Ermangelung eines europäischen Rahmens haben einzelne europäische Länder nationale Regelungen geschaffen, die in der Studie genauer betrachtet werden. Neben EU-Ländern (Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Slowenien, Spanien und Zypern) wurden auch die Schweiz und das Vereinigte Königreich untersucht. Dargelegt wird, dass die einzelnen Länder sehr unterschiedlich vorgehen. Dies zeige sich schon bei den Faktoren, die für die Risikobewertung herangezogen werden. In Belgien und Spanien sind diese gesetzlich geregelt. In der Schweiz hat die SUVA den Unternehmen eine Checkliste für die Ermittlung der Hitzebelastung zur Verfügung gestellt.

In einigen Mitgliedstaaten gibt es Regelungen mit Höchstwerten, wobei dies häufig aber nur geschlossene Räume betrifft (so zum Beispiel auch in Deutschland). Belgien, Spanien und Zypern haben als erste Mitgliedstaaten zudem Regelungen für die Arbeit im Freien eingeführt, wodurch vulnerable Beschäftigtengruppen besser geschützt werden sollen.

Die Lösungsansätze der Länder, was bei Überschreiten der Grenzwerte passieren soll, gehen auseinander und sehen in erster Linie Präventionsmaßnahmen vor. In Österreich, Spanien oder Portugal ist bei Überschreiten der Höchstwerte die Arbeit grundsätzlich einzustellen. Wird dies nicht berücksichtigt, können Unternehmen sanktioniert werden. Diese wenigen Beispiele würden verdeutlichen, so die Studdie, dass einheitliche, europäische Standards sinnvoll sein könnten.

Voneinander lernen

Der Klimawandel ist kein europäisches Problem, sondern ein globales. Die Studie wirft daher auch einen Blick auf andere Länder und Kontinente (zum Beispiel Australien, USA, Golfstaaten, Südafrika, China, Japan). Dieser Blickwinkel ist wichtig, denn so können die europäischen Länder beziehungsweise die EU sich Ansätze von Drittstaaten zu eigen machen und gute Maßnahmen zum Hitzeschutz für die Beschäftigten entwickeln.  

Hitze – auch für die deutsche Unfallversicherung ein Thema

Anlässlich ihrer Jubiläumsveranstaltung am 27. Juni 2023 hat sich auch die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung mit hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern zum Thema „Wind of change – die Sozialversicherung im Klimawandel“ über die Auswirkungen von Hitzewellen auseinandergesetzt. Frau Dr. Edlyn Höller, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, hat dabei die Bedeutung des Themas anhand eines verstorbenen, jungen Gleisarbeiters, der während seiner Tätigkeit bei hohen Temperaturen an Multiorganversagen verstarb, verdeutlicht. Sie unterstrich damit, dass der Klimawandel nicht nur ein Problem älterer oder schwächerer Menschen ist. Aus Sicht von Höller würde durch den Klimawandel kein neues Risiko entstehen, die Veränderung liege in dem Ausmaß, in der die Hitze auftritt.