Gesundheitsprioritäten des SANT-Ausschusses
Bald vielleicht in einem eigenen Ausschuss?
CC – 09/2024
Nach der parlamentarischen Sommerpause hat sich der
Unterausschuss Gesundheit (SANT) des Europäischen Parlaments am 9. September zu
seiner ersten regulären Sitzung in der neuen Legislaturperiode getroffen. Im
Ausschuss gab es ein Wiedersehen mit alten und neuen Gesichtern. Von deutscher
Seite sind derzeit die Abgeordneten Dr. Peter Liese (EVP), Tiemo Wölken
(S&D), Christine Anderson (PfE) sowie der neu gewählte Abgeordnete Oliver
Schenk (EVP) ordentliche Mitglieder des Unterausschusses. Auf der Tagesordnung
stand eine einleitende Aussprache über die gesundheitspolitischen Prioritäten
für die 10. Amtsperiode. Der Vorsitzende Adam Jarubas (EVP, PL) betonte, die
Debatte solle eine Orientierung für die eigene Arbeit geben; auch wenn man sich
bewusst sei, dass sich die politische Lage ändern könne. Damit erinnerte er an
die COVID-19-Pandemie in der vergangenen Legislaturperiode.
Prioritäten des SANT
Im SANT war man sich einig, dass vor allem Ungleichheiten in
der Gesundheitsversorgung angegangen werden müssen. Dies betrifft sowohl den
Zugang zu und die Verfügbarkeit von Arzneimitteln als auch die Verfügbarkeit
von Gesundheitspersonal. Der Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Maßnahmen zur Verbesserung der
psychischen Gesundheit sollen im SANT ebenso behandelt werden wie die weitere
Umsetzung des EU-Krebsplans. Darüber hinaus forderten einige Abgeordnete eine
stärkere Förderung von Innovationen und Investitionen in die
Wettbewerbsfähigkeit des Gesundheitswesens, zum Beispiel durch innovative
Arzneimittel. Andere kritisierten die Privatisierung des Gesundheitswesens und
forderten Investitionen in Prävention und Innovation im öffentlichen Interesse.
Einige Abgeordnete betonten auch die Bedeutung des One-Health-Ansatzes, der Mensch,
Tier und Umwelt in die Gesundheitsversorgung integriert. Insgesamt war der
Grundtenor, dass die Europäische Union (EU) im Gesundheitsbereich
zusammenarbeiten müsse. Gesundheit mache nicht an Grenzen halt.
Kritisch wurde der Stellenwert der öffentlichen Gesundheit
in der EU gesehen. Zwar gebe es nur eingeschränkte Kompetenzen in diesem
Politikfeld; es sei aber schade, dass Ursula von der Leyen in ihren politischen
Leitlinien 2025-2029 der öffentlichen Gesundheit nur wenig Beachtung geschenkt habe.
Dabei gäbe es viele inhaltliche Überscheidungen mit den Mitgliedstaaten wie bei
der Gesundheitsprävention von psychischen Erkrankungen oder
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, beim Zugang zu kritischen Arzneimitteln oder auch
beim Kampf gegen Antibiotikaresistenzen.
Am Rande
Da es keine Redezeitbegrenzung gab, entwickelte sich neben
der gesundheitspolitischen Diskussion auch eine hitzige Auseinandersetzung über
den Umgang der EU mit der COVID-19-Pandemie - angetrieben von zwei neuen
rechtspopulistischen Abgeordneten von AfD und FPÖ. Sie kritisierten die
Impfpolitik und forderten mehr Transparenz bei Impfverträgen.
Die Frage der Zuständigkeiten
Breiten Raum nahm auch die Diskussion um die Aufwertung des
Unterausschusses zu einem vollwertigen Ausschuss ein. Die Pandemie habe
gezeigt, dass mehr getan werden könne, so Tomislav Sokol (EVP, CR). Eine
Spezialisierung auf reine Gesundheitsthemen würde dem Fokus und den Themen des
Ausschusses guttun, bestätigten viele Abgeordnete. Andere, wie Anja Hazekamp (Left,
NL), halten die Herauslösung des SANT-Ausschusses aus dem ENVI-Ausschuss für
einen großen Fehler, der nicht dem One-Health-Ansatz entspreche und eher der
Lobbyarbeit der Pharmaindustrie diene. Der SANT-Ausschuss müsse daher
integraler Bestandteil des ENVI-Ausschusses bleiben.
Die offizielle Entscheidung darüber könnte in wenigen Wochen
fallen. Die Karten - vor allem die Sitze der ordentlichen und stellvertretenden
Mitglieder - werden dann zwar neu gemischt, die Themen und Prioritäten dürften
aber die gleichen bleiben. Ob das Thema Gesundheit durch einen eigenständigen
Gesundheitsausschuss in der EU tatsächlich an Stellenwert gewinnt –
darüber mag man auch nach einer Entscheidung unterschiedlicher Meinung sein.