„Gute Versorgung, faire Preise“

Statement zur Europäischen Arzneimittelreform

22. Januar 2024

Die DSV begrüßt die Reform des EU-Arzneimittelrechts, um damit den Zugang, die Verfügbarkeit und die Bezahlbarkeit von Arzneimitteln in der Europäischen Union auch in Zukunft sicherzustellen. Für die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten und damit auch für die Sozialversicherung in Deutschland ist es wichtig, dass Arzneimittel mit hohem Nutzen für die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stehen und therapeutische Lücken geschlossen werden. Im Hinblick auf das laufende Gesetzgebungsverfahren und insbesondere die Beratungen im Europäischen Parlament über wichtige Vorschläge und Kompromisse möchten wir fünf Punkte hervorheben:


Wir begrüßen,


  • dass sich viele Abgeordnete für mehr Transparenz bei der Finanzierung von Arzneimittelinnovationen aussprechen. Demnach sollen die Arzneimittelhersteller künftig nicht nur in Datenbanken offenlegen, ob und wieviel finanzielle Unterstützung sie von öffentlichen Stellen erhalten haben, sondern darüber hinaus deutlich machen, wieviel Geld sie für die Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel aufwenden. Diese angestrebte Transparenz ist dringend erforderlich, damit in den Mitgliedstaaten im Rahmen der Preisfestsetzungs- und Erstattungsverfahren zwischen Kostenträgern und Industrie faire Arzneimittelpreise ausgehandelt werden können.

Wir finden es gut,

  • dass von vielen Abgeordneten unsere Überzeugung geteilt wird, dass die Fristen von regulatorischem Schutz und Patentschutz öffentlich einsehbar sein müssen. Dies wäre eine erhebliche Verbesserung zum Status quo, denn bisher gibt es keine Transparenz über den Ablauf des Exklusivitätsschutzes eines Arzneimittels. Dies erschwert Generika- und Biosimilar-Herstellern den frühzeitigen Einstieg in den Wettbewerb. Gerade dieser Wettbewerb ist aber wichtig und wesentlich dafür, dass notwendige Arzneimittel in den Gesundheitssystemen verfügbar werden und eine bezahlbare Arzneimittelversorgung ermöglicht wird.

Wir freuen uns,

  • dass die Idee, das Europäische Verifizierungssystem für Arzneimittel (EMVS) auszubauen und für die Etablierung eines umfassenden Arzneimittelmonitorings zu nutzen, im Parlament aufgegriffen wird. Wir teilen die Auffassung, dass das Monitoring über die Sicherheitsmerkmale von Arzneimitteln und die damit entstehende Datentransparenz der beste Weg ist, drohende Liefer- und Versorgungsengpässe frühzeitig zu erkennen. Das Echtzeit-Monitoring ermöglicht einen Überblick über die aktuelle Angebots- und Nachfragesituation von Arzneimitteln und eröffnet neue Möglichkeiten für ein Frühwarnsystem, das nicht auf eine aktive Zulieferung von Informationen angewiesen ist.

Wir sorgen uns

  • über die Stimmen, die sich in den Beratungen für längere Exklusivitätszeiten für neue Arzneimittel stark machen. Die zum Teil vorgeschlagenen Verlängerungen werden massive Auswirkungen auf die Arzneimittelpreise haben, da sie die Monopole für Blockbuster-Arzneimittel weit über den derzeitigen Rechtsrahmen hinaus ausdehnen und erhebliche Auswirkungen auf die Kostenbelastung der Gesundheitssysteme haben – und damit zu Lasten einer bezahlbaren Versorgung der Bürgerinnen und Bürger gehen. Es wäre zudem bedauerlich, wenn die Chance vergeben würde, Exklusivitätszeiten nicht an politische Ziele wie die Belieferung aller 27-Mitgliedsstaaten oder die Schließung therapeutischer Lücken zu knüpfen. Die Investitionsmittel der Arzneimittelhersteller sollten dafür verwendet werden, dass Arzneimittel entwickelt werden, die gebraucht werden, die einen hohen Nutzen haben und dort zur Verfügung stehen, wo der Bedarf ist.

Wir warnen davor,

  • immer mehr Arzneimittel über beschleunigte Verfahren für den Markt zuzulassen. Schnellere Marktzugänge stellen keinen Versorgungsvorteil dar, wenn durch nicht ausreichend in klinischen Studien geprüfte Arzneimittel Risiken auf die Patientinnen und Patienten verlagert werden. Es sollte Standard sein, dass alle notwendigen Daten zur Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität eines Arzneimittels in kontrollierten Arzneimittelstudien erhoben werden und nicht erst nach Markteintritt bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten. Beschleunigte Zulassungsverfahren rechtfertigen sich unseres Erachtens nur in Ausnahmefällen wie zum Beispiel bei gesundheitlichen Notlagen. Sie dürfen aber nicht zum Regelfall werden.

Über uns

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), der GKV-Spitzenverband, die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene sowie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) haben sich mit Blick auf ihre gemeinsamen europapolitischen Interessen zur „Deutschen Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa e.V.“ zusammengeschlossen. Der Verein vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber den Organen der Europäischen Union sowie anderen europäischen Institutionen und berät die relevanten Akteure im Rahmen aktueller Gesetzgebungsvorhaben und Initiativen. Die Kranken- und Pflegeversicherung mit 74 Millionen Versicherten, die Rentenversicherung mit 57 Millionen Versicherten und die Unfallversicherung mit mehr als 70 Millionen Versicherten in 5,2 Millionen Mitgliedsunternehmen bieten als Teil eines gesetzlichen Versicherungssystems den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wirksamen Schutz vor den Folgen großer Lebensrisiken.

DSV-Statement EU-Arzneimittelreform