Immer mehr Europäer arbeiten in Teilzeit. Dies ergibt sich aus der Übersicht zur Beschäftigung und sozialen Situation, die von der Kommission vierteljährlich veröffentlicht wird, zuletzt im Frühjahr 2016. Im Jahr 2015 waren hiernach durchschnittlich 32,1% der Frauen teilzeitbeschäftigt, jedoch lediglich 8,9% der Männer, wobei der Abstand nur langsam geringer wird.

06/2016

Teilzeitbeschäftigung kann eine positive Entwicklung sein, wenn dadurch eine ausgeglichene Work-Life Balance erreicht wird, und zudem Beschäftigungsmöglichkeiten für bisher vom Arbeitsmarkt Ausgeschlossene (wie Mütter und ältere Arbeitnehmer) geschaffen werden. Von Nachteil ist es jedoch, wenn die Teilzeitarbeit aus ungewollten Gründen angenommen werden muss, weil es beispielsweise die einzige Option ist, oder aus der Schwierigkeit heraus, das Familienleben mit dem Arbeitsleben zu vereinbaren. Teilzeitarbeit birgt jedoch auch weitere Nachteile, die über den Verlust von Einkommen hinausgehen, so niedrigere Einkommen, verminderte Karrierechancen, und, langfristig, ein geringerer Rentenanspruch. 

 

Schaut man auf die Übersicht, so fällt zuerst auf, wie geschlechtsspezifisch Teilzeitarbeit ist: Wesentlich mehr Frauen stehen in solchen Beschäftigungsverhältnissen. Auch gibt es ein deutliches Ost-West Gefälle. In Osteuropa ist Teilzeitbeschäftigung auch bei Frauen eher selten anzutreffen, während in Westeuropa diese erheblich besser angenommen wird. Bestes Beispiel hierfür sind die Niederlande, wo 3/4 der Frauen, jedoch auch 1/5 der Männer in Teilzeit arbeiten (insgesamt drei mal mehr als der EU-Durchschnitt); auffällig ist hier, dass der Anteil der ungewollten Annahme dieser Teilzeitbeschäftigung am geringsten ist. 

Seit 2007 ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in Europa insgesamt gestiegen, während Vollzeitbeschäftigung sich vermindert hat. Der Anstieg ist prozentual besonders stark bei Männern, während die Zahlen bei den Frauen weitestgehend gleich geblieben sind. Dieser Anstieg ist jedoch, anders als in den Niederlanden, kein Ausdruck größerer persönlicher Freiheit, sondern deutet eher darauf hin, daß es schlichtweg keine Alternativen zur Teilzeitbeschäftigung gab, ein Vollzeitjob letztlich nicht verfügbar war. Im Jahr 2007 gaben europaweit 23,1% der Teilzeitbeschäftigten an, dies unfreiwillig zu tun; im Jahre 2015 waren es bereits 29,9%. Für Männer ist der Anteil höher als für Frauen: 42,4% zu 26,2%. Auffällig ist auch, daß dies besonders in Ländern der Fall war, die von der Wirtschaftskrise besonders stark betroffen waren (so Zypern, Griechenland, Italien, Spanien und Irland). 

 

Die Zunahme der Teilzeitarbeit kann somit eine „Folge der Wirtschaftskrise“ sein, vor allem in den hiervon am stärksten betroffenen Ländern, aber es bleibt abzuwarten, ob es nicht auch die „Zukunft der Arbeit“ ist. Ein pessimistisches Szenario wäre, daß unfreiwillige und prekäre Teilzeitarbeit für immer mehr Menschen die einzige Option wird. Das optimistische Szenario sieht wachsende Teilzeitarbeit als einen Ausdruck von mehr Flexibilität und Wahlfreiheit, soweit es um die Work-Life-Balance geht, und das für Frauen und Männer.