Akteure aus der ganzen Welt diskutieren über aktuelle Themen aus dem Bereich der digitalen Gesundheit. Die Frage der Kostenerstattung rückt zunehmend in den Vordergrund.

MS – 05/2017

Im Mai dieses Jahres war es wieder soweit. Zahlreiche führende Gesundheitspolitiker der EU-Mitgliedstaaten versammelten sich in Malta, um über die beste Verwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien zum Vorteil des einzelnen Bürgers und Patienten sowie der Gesellschaft zu diskutieren. Die einmal im Jahr stattfindende Veranstaltung wurde diesmal mit dem Schwerpunkt „Gesundheitsdaten: der Schlüssel zur personalisierten und nachhaltigen Versorgung“ von der maltesischen Präsidentschaft und der Europäischen Kommission organisiert. 

Vereinigung der digitalen und öffentlichen Gesundheit?

Die WHO Direktorin Zsuzsanna Jakab stellte in ihrer Eröffnungsrede die meist getwitterte und zitierte Forderung der Veranstaltung: „We need a beautiful marriage of eHealth and public health“, was so viel heißt, wie die Vereinigung der digitalen und öffentlichen Gesundheit. Den „Hype eHealth“ rückte sie dabei in ein anderes Licht. eHealth sollte nicht als die Lösung aller Probleme der europäischen Gesundheitssysteme verstanden werden. Vielmehr soll durch die Kombination der konventionellen öffentlichen Gesundheitsversorgung mit den neuen technischen Möglichkeiten ein Mehrwert für den Patienten geschaffen werden.  

 

In zahlreichen Diskussionsforen forderten die Teilnehmer, europäischen Patienten Zugang zu ihren persönlichen Gesundheitsdaten zu geben. Während in der Bankenwelt Bürger ihre Finanzdaten jederzeit online verfügbar haben, seien elementare Gesundheitsdaten bei weitem nicht abrufbar. Wichtig in diesem Zusammenhang sei, nicht nur auf die Digitalisierung der Gesundheitsdienste zu achten, sondern auch auf die Digitalisierung der Gesundheitskompetenzen. Um eine Teilung der Gesellschaft zu verhindern, müsse das „Digital Health Literacy“ (Gesundheitsbildung) in gleichem Maße gestärkt werden. 

Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung stellt Perspektive der deutschen Kostenträger vor

Erstmalig war auch die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung bei der eHealth Week vertreten und stellte die Perspektiven der deutschen Kostenträger zur Digitalisierung vor. Für eine erfolgreiche „digitale Versorgung“ sollte die Zusammenarbeit der Marktteilnehmer in einem frühen Stadium beginnen, um gemeinsam den Produktanforderungen und notwendigen Nutzenbewertungen gerecht zu werden.  

 

Während auf Brüsseler Ebene Diskussionen rund um die „digitale Gesundheit" eher mit dem Schwerpunkt regulatorische Rahmenbedingungen geführt wurden, rückt zunehmend die Kostenerstattung in den Vordergrund. Die Kommission und zahlreiche Akteure argumentieren, dass ohne eine angemessen rasche Erstattungsentscheidung die Attraktivität nationaler Systeme und des ersten Gesundheitsmarkts für eHealth-Lösungen sinkt. Durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Gesundheitssysteme und der Tatsache, dass die Kostenerstattung in der Entscheidungshoheit der Mitgliedstaaten liegt, konnte ein guter Erfahrungsaustausch geführt werden. Trotz aller Unterschiede bestand am Ende Einigkeit darüber, dass für neue digitale Gesundheits- und Pflegedienste auch entsprechend neue Erstattungsmodalitäten bzw. „New Business Modells“ notwendig sind.  

Hochrangige Gespräche mit den Mitgliedstaaten

Auf die Frage, wer denn nun verantwortlich ist für den Fortschritt der Digitalisierung in der EU, spielte Gesundheitskommissar Andriukaitis den Ball zurück an die Mitgliedstaaten. Ohne das politische Engagement der Mitgliedsländer würde Europa mit der Technologisierung der Gesundheitsversorgung nicht weiterkommen. Mit Nachdruck betonten verschiedene Repräsentanten, dass die Zeit von Aktionsplänen und Pilotprojekten vorbei wäre. Digitale Gesundheit müsse nun endlich gelebt und praktiziert werden. 

 

Am Rande der öffentlichen Veranstaltungen wurden Repräsentanten der nationalen Gesundheitsministerien zu hochrangigen Treffen eingeladen, um in einem geschlossenen Kreis die europäische Digitalisierungsstrategie zu diskutieren. In Malta war vor allem der Aufbau einer europäischen eHealth-Infrastruktur Gesprächsgegenstand. Im Rahmen der Förderinitiative Connecting Europe Facility (CEF) sollen interessierte Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2020 eine digitale Infrastruktur (Digital Service Infrastructures, DSI) im Bereich Gesundheit errichten. 16 Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, arbeiten daran den grenzüberschreitenden Austausch von elektronischen Patientenakten- und Verschreibungen zu ermöglichen. Erste Länder wie Estland, Kroatien und Finnland starten im Jahr 2018 mit dem grenzübergreifenden Austausch elektronischer Gesundheitsdienste.  

Estlands Deklaration „Digital Health Society“

Am 1. Juli 2017 übernimmt Estland den Vorsitz im Rat der EU. Estland ist nicht nur Hauptreiseziel für verschiedene Studienreisen, Estland möchte sich auch besonders in der EU mit dem in Rede stehenden Thema hervorheben. Während der eHealth Week wurde einem ausgewählten Kreis an Interessensvertretern der Entwurf einer Deklaration „Digital Health Society“ vorgestellt. In dem Papier werden Chancen und Herausforderungen zur „Stärkung der Gesundheit durch die Digitalisierung“ vorgestellt. Die eingeladenen Interessensvertreter, darunter auch die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung, haben die Möglichkeit den Entwurf zu kommentieren. Die Deklaration soll auf der estnischen „High-level eHealth Conference“ in Tallinn im September 2017 vorgestellt werden. 

Wie geht es weiter?

Traditionsgemäß wird die eHealth Week von der innehabenden Ratspräsidentschaft im 1. Halbjahr eines jeden Jahres ausgerichtet. Mit der EU-Austrittserklärung („Brexit“) des Vereinigten Königreichs wurde nun die britische Ratspräsidentschaft (ursprünglich geplant für die 2. Hälfte 2017) übersprungen. Die EU-Staaten haben beschlossen die bis 2020 eingeteilten Länder vorzuziehen. Im 1. Halbjahr 2018 hat nun Bulgarien den vorgezogenen Vorsitz im Rat der EU. Bulgarien scheint jedoch in Erwägung zu ziehen, auf die Organisation der eHealth Week 2018 - auch aus budgetären Gründen - zu verzichten. Damit richtet sich der Fokus auf Österreich, das die Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2018 innehaben wird.  

 

Alle Präsentation der eHealth Week sind unter diesem Link verfügbar.