Atypische Arbeit soll typischer werden: Auch Selbständige und atypisch Beschäftigte sollen ausreichend abgesichert sein.

Dr. WSW – 05/2017

Die Europäische Kommission hat eine „Initiative“ zur Verbesserung des Zugangs zum Sozialschutz einschließlich den Systemen der sozialen Sicherheit gestartet. Hierzu hat sie zwei inhaltlich ähnlich konfigurierte Konsultationen veröffentlicht: Zunächst am 21. April eine an die Allgemeinheit gerichtete Umfrage zur „Folgenabschätzung in der Anfangsphase“ („inception impact assessment“), und wenige Tage später am 26. April eine entsprechende Befragung der Sozialpartner. Damit hat die Kommission einen wesentlichen Baustein ihres Projekts einer „europäischen Säule sozialer Rechte“ konkretisiert.  

 

Konkret geht es mit der Initiative um die Verbesserung des Zugangs von zwei Gruppen von Erwerbstätigen: Selbständige, und „atypisch“ Beschäftigte, auf englisch „non-standard contracts“. Dabei wird der Kreis der „atypisch Beschäftigten“ sehr weit gefasst: Er bezieht alle Formen von Teilzeitarbeit und befristeter Beschäftigung ein. Ausdrücklich werden auch „neue Beschäftigungsformen“ ins Visier genommen wie Crowdwork, kollaborative Arbeit und IKT-gestützte mobile Arbeit.  

Die Ziele der Initiative – nicht immer im harmonischen Zusammenspiel

Die Initiative verfolgt nicht nur ein Ziel, sondern gleich mehrere – die durchaus auch in Konflikt zueinander geraten können. Im Vordergrund steht die Angleichung des Sozialschutzes bei regulär und irregulär Beschäftigten sowie den Selbständigen. Auf diese Weise soll es den Menschen leichter fallen, sich für eine Arbeit als Selbständiger oder in atypischer Beschäftigung zu entscheiden. Angereichert wird dies mit einem weiteren Standbein: einer stärkeren Individualisierung von einmal erworbenen „Rechten“ durch ihre „Fixierung“ in einem individuellen Konto und eine Übertragung bzw. Verstetigung in die Zukunft über berufliche und private Übergänge hinweg. Dieser Ansatz verlässt die Domäne der bloßen Angleichung des Sozialschutzes bei unterschiedlichen Erwerbsformen. Noch weiter ausgreifend wirkt dann der Anspruch, einen „angemessenen Einkommensersatz für alle in Zeiten eines Einkommensverlustes“ sicherzustellen bei gleichzeitiger Reduzierung von Armut.  

 

Damit einhergehend, durchaus aber je nach Ausgestaltung im Konflikt stehend ist die Absicht der Europäischen Kommission, mit Hilfe ihrer Initiative die „Finanzierung der Sozialschutzsysteme zu stärken“. Dies würde in der Tat gelingen, wenn der Erwerb (neuer) Rechte – wie es die Kommission andeutet - Hand in Hand geht mit einer angemessenen Beteiligung der Betroffenen an der Finanzierung, sprich: der Leistung von Beiträgen. Ein zunächst aus Sicht der Kommission positiver Nebeneffekt wäre, dass die Inanspruchnahme von sozialen Auffangsystemen zurückgeht. Allerdings bedeutet das in letzter Konsequenz nichts anderes als eine insgesamt stärkere Finanzierung von Sozialleistungen aus Sozialabgaben anstelle von Steuern. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Europäische Kommission in anderen Zusammenhängen den Mitgliedstaaten kontinuierlich mit auf den Weg gibt. 

 

Aber auch im konkreten Einzelfall bleibt die stärkere Abgabenbelastung nicht ohne Folgen: Der Wettbewerbsvorteil alternativer Beschäftigungsformen löst sich auf und mindert den von der Europäischen Kommission eigentlich propagierten Anreiz, derartige Beschäftigungen aufzunehmen. Die Kommission sieht dies auch so, äußert sich jedoch nicht dazu, wie mit dem Konflikt am besten umzugehen ist.  

Zum Verfahren

Mit der auf einen Monat befristeten Befragung zur Folgenabschätzung in der Anfangsphase möchte die Kommission die Öffentlichkeit über mögliche Inhalte und Alternativen der geplanten Initiative informieren und allen Interessierten Gelegenheit zu einer Stellungnahme bieten.  

 

Fast gleichzeitig leitete die Kommission die „Erste Phase der Konsultation der Sozialpartner" gemäß Art. 154 AEUV ein. Der Gegenstand: „Mögliche Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen des Zugangs zum Sozialschutz für Menschen in allen Beschäftigungsformen im Rahmen der Europäischen Säule sozialer Rechte“. Mit dem einschlägigen Konsultationspapier erfüllt die Kommission ihre Verpflichtung nach Art. 154 AEUV, soweit atypisch Beschäftigte betroffen sind. Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur Absicherung Selbständiger wäre dagegen Art. 352 AEUV, so dass insoweit eine Pflicht zur Anhörung der Sozialpartner entfällt. Die Kommission erweitert jedoch „auf freiwilliger Basis“ die Anhörung auch auf die Absicherung dieser Personengruppe. Zusammengefasst werden die Sozialpartner aufgefordert, sich nach Sozialversicherungszweigen strukturiert zur möglichen Ausrichtung vom Maßnahmen der EU zur Frage des Zugangs aller Erwerbstätigen zum Sozialschutz zu äußern.  

Wo liegt das Problem?

Der massive Wandel der Arbeitswelt, insbesondere gewisse im Kielwasser der Digitalisierung entstehenden oder zunehmenden neuen Formen der Arbeit, fordern die soziale Absicherung verschiedener Formen der Erwerbstätigkeit heraus. Das Spektrum ist groß und reicht von der Erledigung kleinerer Aufträge online, über das Anbieten umfassender Dienstleistungen bis hin zu Zusammenschlüssen von Gruppen, bei denen komplexe Arbeiten mit verteilten Aufgaben wahrgenommen werden. 

 

Da bleibt die Frage nach der Notwendigkeit einer Anpassung der sozialen Sicherungssysteme nicht aus. Denn auch wenn sich die Arbeitswelt und damit auch das Arbeitsverhältnis im klassischen Sinn verändert, bleiben die Schutzbedürfnisse der Menschen die gleichen. Allerdings hatten schon vor der Digitalisierung der Arbeitswelt – und somit ganz unabhängig von ihr – viele (Solo-) Selbstständige und manche Gruppen der atypisch Beschäftigten keinen ausreichenden Schutz durch die sozialen Sicherungssysteme. Als Folge könnten Sicherungslücken für die betroffenen Erwerbstätigen sowie zusätzliche Belastungen der staatlichen Fürsorgesysteme entstehen. 

Die Situation in Deutschland

Gerade auch in Deutschland ist das Problem bekannt. Hier knüpft der Versicherungsschutz überwiegend an das klassische Beschäftigungsverhältnis an und nicht an selbständig ausgeübte Erwerbstätigkeit. Die Betroffenen sind – anders als die meisten atypisch Beschäftigten – in der Regel entweder nicht abgesichert oder müssen sich bei hohen Kosten selbst versichern. Letzteres gilt vor allem für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Dort wird der Versicherungsschutz bei selbständig Erwerbstätigen über eine freiwillige gesetzliche oder eine private Krankenversicherung sichergestellt, für die in der Regel auch bei niedrigen Einkünften ein recht hoher Beitrag zu zahlen ist. Entsprechendes gilt für die Pflegeversicherung. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind Selbständige in der Regel nicht pflichtversichert, jedoch besteht die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung. 

 

Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung sind nur bestimmte Gruppen von Selbständigen pflichtversichert; für die übrigen Selbständigen bestehen unterschiedlich attraktive freiwillige Sicherungsmöglichkeiten. Notwendige Anpassungen an veränderte Formen der Erwerbstätigkeit und Modernisierungen haben gerade auch in der Rentenversicherung zu einer ausführlichen nationalen Reformdiskussion um die Einbeziehung insbesondere der Gruppe der „Solo-Selbständigen“ in die gesetzliche Rentenversicherung oder in eine anderweitige Versicherungspflicht geführt. Die endgültige Entscheidung steht noch aus. 

Die Situation in Europa

Aber auch beim Blick über den deutschen Tellerrand hinaus in das europäische Ausland ist das Bild recht uneinheitlich. Einen sehr detaillierten Überblick bietet die von der Kommission vor kurzem herausgegebene Studie „Access to social protection for people working on non-standard contracts and as self-employed in Europe“.  

 

Speziell mit Blick auf die Rentenversicherung wird zunächst festgestellt, dass in zwölf Mitgliedstaaten für Selbständige besondere gesetzliche Rentenregelungen gelten, wobei die Absicherung in sieben dieser Mitgliedstaaten verpflichtend und in fünf freiwillig ist. Gerade mit Blick auf jüngere Menschen wird hier Handlungsbedarf gesehen. Sie seien oft in atypischen Verhältnissen tätig, in denen sie keine Anwartschaften aufbauten. Das erhöhe das Risiko der Altersarmut und eines nicht angemessenen Lebensstandards im Alter. Akzeptiert man diese Problemanalyse, so müsste man eigentlich die in vielen nationalen Systemen vorhandenen „Geringfügigkeitsschwellen“ abschaffen. Und in der Tat kritisiert die Kommission an anderen Stellen Sicherungslücken gerade auch bei Mini-Jobbern. Schließlich wird auch kritisiert, dass Selbständige oft keinen Zugang zur betrieblichen Altersvorsorge haben. 

 

Mit Blick auf die Arbeitslosenversicherung wird festgestellt, dass diese für Selbständige in zehn Mitgliedstaaten nicht zugänglich ist, in zwölf verpflichtend und in sechs freiwillig. Auch für befristet Beschäftigte ist die wirtschaftliche Absicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit ein Problem: Beinahe ein Drittel der befristet Vollzeitbeschäftigen in der EU haben keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Sachleistungen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt stehen nur in wenigen Mitgliedstaaten zu Verfügung. 

 

Mit Blick auf die Krankenversicherung kann der Schutz des betroffenen Personenkreises schlechter sein als in einem Mitgliedstaat allgemein üblich, es sei denn, sie schließen eine freiwillige Versicherung zu deutlich höheren Prämienkosten ab. Beim Krankengeld (als Einkommensersatzleistung) sind europaweit 40% der Selbständigen nicht anspruchsberechtigt. 

Institutionelle Verortung des Problems: mangelnder Zugang und mangelnde Übertragbarkeit und Konvertierbarkeit von Rechten

Die unterschiedliche Dichte des Zugangs zum Sozialschutz ist denn auch das entscheidende Motiv für die Initiative der Kommission. Angeblich sind bis zu 50% der in atypischer Beschäftigung oder Selbständigkeit arbeitenden Bevölkerung von einem unzureichenden Sozialschutz bedroht. Gleichzeitig wird anerkannt, dass immerhin 17 Mitgliedstaaten den selbständig Erwerbstätigen einen ähnlichen Zugang zu den meisten Sozialschutzsystemen gäben wie den abhängig Beschäftigten. Allerdings wird kritisch hinzugefügt, dass Sozialversicherungsbeiträge für Selbständige oftmals freiwillig sind und pauschal bemessen werden. 

Wo liegt die Lösung?

Die Kommission ruft alle Beteiligten auf, nicht zuletzt innerhalb ihrer Sozialversicherungssysteme zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln. Dagegen ist im Grundsatz durchaus nichts einzuwenden. Ein ganz entscheidendes Problem wird jedoch die Finanzierung dieses zusätzlichen Sozialschutzes sein. Einerseits darf sie die Betroffenen nicht überlasten. Anderseits aber darf sie nicht auf eine Subventionierung bestimmter nicht nachhaltiger Geschäftsmodelle zulasten der Solidargemeinschaft hinauslaufen. 

 

Die von der Kommission vorgeschlagenen Lösungsansätze folgen der Struktur der Problemanalyse: Zugang zu Sozialschutzsystemen, aber auch Aufrechterhaltung bereits erworbener „Rechte“.  

Optionen eines besseren Zugangs

Die Kommission stellt mehrere Optionen für die Auswahl von Maßnahmen vor, die auf europäischer Ebene ergriffen werden könnten. Es ist auffällig, dass die beiden Konsultationspapiere hierbei an wichtigen Stellen voneinander abweichen. Die „Folgenabschätzung in der Anfangsphase“ bietet an prominenter Stelle eine Harmonisierung des Sozialschutzes für Selbständige und atypisch Beschäftigte auf einem Mindestniveau an. In der Konsultation der Sozialpartner wird diese Option dagegen nicht mehr erwähnt – dadurch ist sie allerdings nicht „aus der Welt“. Die Dissonanzen setzen sich fort in der wichtigen Frage der Gleichbehandlung verschiedener Erwerbsformen. Das Papier zur „Folgenabschätzung“ verspricht „Gleichen Schutz für alle, unabhängig vom Beschäftigungsstatus“. Im Rahmen der Sozialpartner-Konsultation ist dagegen nur noch die Rede von „Ähnlichen Sozialschutzansprüchen für ähnliche Arbeit“. Es ist z.B. nicht mehr ersichtlich, ob der Anspruch auf Arbeitslosengeld noch eingeschlossen sein soll. Die – möglicherweise nur scheinbare – Einfachheit eines formalen Gleichbehandlungsgrundsatzes wird noch an einer anderen Stelle relativiert, wenn es heißt: „Es kann zum Beispiel erforderlich sein, Beiträge und Leistungen besser auf die besondere Einkommenssituation der Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und der selbständig Erwerbstätigen zuzuschneiden“. Diese Einschätzung ist durchaus zutreffend, macht aber jeden Lösungsansatz noch komplexer, vor allem wenn man ihn einheitlich für alle Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene sucht.  

Optionen einer Wahrung und Übertragung einmal erworbener „Rechte“

Nach erfolgreichem Erwerb von Sozialschutzrechten sollen diese nach Auffassung der Kommission auch nach einem Status- oder Arbeitgeberwechsel aufrechterhalten und übertragen werden. Die Vorstellungen der Kommission gehen aber über eine bloße Konservierung eingegrenzter Ansprüche hinaus und plädieren für die Möglichkeit einer „leichteren Umwandlung“ in andere Rechte – je nach individueller Situation. Möglicherweise schwebt der Kommission hier eine Art Vorsorgekonto vor, das flexibel für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden kann. Dabei geht es nicht etwa um Altersvorsorge. Als Referenz oder vielleicht sogar als vorbildliches Verfahren wird auf das französische „compte personnel d’activité“ (CPA) verwiesen, wo die einmal erworbenen Punkte unter anderem für Fortbildungen, Sabbaticals oder Gehaltsaufstockungen verwendet werden können. Noch nicht ganz klar ist, wer – nach möglicherweise langen Latenzzeiten – die Einlösung der Punkte finanzieren soll. Fest steht nur: die Punkte, Anwartschaften, credits oder wie immer man die Rechte nennen mag, würden in Zeiten der Ausübung einer regulären Beschäftigung erworben und gingen auch bei einem Beschäftigungswechsel nicht unter.  

 

Flankiert werden soll die Politik einer besseren Aufrechterhaltung von Rechten durch eine Verstärkung der Transparenz. Dies kanalisiert sich zunächst in der Forderung einer regelmäßigen Information über die gesetzlichen Rentenansprüche. Merkwürdigerweise fehlt an dieser Stelle jeder Hinweis auf die Information über Betriebsrentenansprüche, die doch durch die von der EU geförderte Errichtung eines „European Pension Tracking Service“ gefördert werden soll. Verbessert werden soll aber auch die Transparenz des Anspruchs auf Sachleistungen der Arbeitsverwaltung.  

Die Rolle Europas

Die Kommission betont durchaus, dass die von ihr in Erwägung gezogenen Maßnahmen „unter voller Wahrung der Subsidiarität sowie der nationalen Vielfalt“ erfolgen würden. Sie würden „nicht auf die länderübergreifende Harmonisierung von Rechten und Pflichten abzielen“, sondern (lediglich) „gemeinsame Grundsätze fördern“. Eine Betrachtung der angeführten Maßnahmen lässt dennoch Zweifel zu. Vorgeschlagen wird ein noch näher zu definierender Mix aus „nichtlegislativen Instrumenten“ und „Rechtsinstrumenten“. 

 

Bei der Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme sind aufgrund der Zuständigkeitsverteilung und im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip die Mitgliedstaaten aufgerufen, innerhalb ihrer Sozialversicherungssysteme auf nationaler Ebene zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln; gute Ansätze und Überlegungen sind bereits in der Diskussion, die über gegenseitigen Austausch weitervermittelt werden können. Die Offene Methode der Koordinierung (OMK) bietet hier eine ausreichende Plattform.  

 

Die von der EU-Kommission angestrebte Initiative, für alle Erwerbstätigen den Zugang zu sozialen Sicherungssystemen sicherzustellen, sollte daher nicht über allgemeine Empfehlungen hinausgehen. Auch eine Unterstützung durch Förderung des Austausches von bewährten Praktiken sowie Peer-Review-Verfahren könnten die Mitgliedstaaten in diesem Prozess unterstützen. Die konkrete Umsetzung dieses allgemeinen Zieles muss jedoch – insbesondere auch vor dem Hintergrund der Vielfalt der Systeme – den Mitgliedstaaten selbst vorbehalten bleiben. 

 

Dies gilt umso mehr, als die Initiative der Kommission oft über ihr eigentliches Ziel „hinausschießt“. Dies ist wohl unvermeidlich, wenn man erst einmal mit Eingriffen in Teilsegmente des Sozialschutzes beginnt, belegt dann aber die Problematik der Initiative als solcher. Schon die Frage des arbeitsbezogenen Erwerbs und der Aufrechterhaltung von „Rechten“ stellt sich unabhängig von der jeweils ausgeübten Art der Erwerbsarbeit. Das gleiche gilt dann aber auch für die Frage nach der Absicherung von Mini-Jobs sowie das Einziehen von Pflichtversicherungsuntergrenzen. Erst recht gilt das gesagte angesichts der Feststellung der Kommission, dass manche Jobs so wenig „abwerfen“, dass ein an Einkommen und damit Beiträgen orientiertes Sicherungsniveau keinen adäquaten Schutz mehr bietet. Das ist durchaus richtig, trifft aber die Niedrigverdiener gleichermaßen, egal, in welcher Form sie ihr Erwerbseinkommen erzielen.  

 

Nach alledem besteht nur wenig Raum für legislative Maßnahmen auf EU-Ebene. Vor allem die Lösung der Konflikte zwischen einem besseren Zugang, einer fairen Finanzierung und einer Vermeidung von Überreaktionen im Fall einer fehlenden Schutzbedürftigkeit rufen nach Lösungen, die auf die besonderen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten zugeschnitten sind - unter Berücksichtigung der gewachsenen Systeme, der unterschiedlichen Traditionen und Präferenzen sowie der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. 

Weiteres Verfahren

Die Konsultation im Rahmen der Folgenabschätzung dient nur der Information der EU-Kommission und wird keine weiteren formalen Folgeaktionen auslösen. 

 

Anders verhält es sich mit der vorliegenden „Ersten Phase der Konsultation“ der Sozialpartner. Sie wird auf Art. 154 Abs. 2 AEUV gestützt. Nach Eingang der Antworten prüft die Kommission, ob Handlungsbedarf besteht. Falls ja, wird sie nach Art. 154 Abs. 3 AEUV eine zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner über den Inhalt einer vorgeschlagenen Maßnahme in Gang setzen. Dem schließt sich dann, falls die Sozialpartner dies wünschen, die Einleitung eines sozialen Dialogs nach Art. 155 AEUV an.  

 

Allerdings hat die Kommission schon jetzt weitere Schritte und insbesondere die Vorlage einer Reihe von Legislativakten angekündigt, falls die Sozialpartner keine Einigung zustande bringen. Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass ohnehin nur ein Teil ihrer Initiative Gegenstand von Vereinbarungen nach Art. 155 AEUV sein kann. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Kommission eine weitere öffentliche Konsultation noch vor der Sommerpause angekündigt hat.