Estnische Ratspräsidentschaft erklärt grenzüberschreitende Aspekte der Alkoholpolitik und die Reduzierung alkoholbedingter Schäden in der EU zu ihrer Priorität.

MS/ST – 11/2017

Noch immer ist Europa die Region mit dem höchsten Alkoholkonsum weltweit. Schädlicher Alkoholkonsum führt in der Bevölkerung – vor allem in einkommensschwächeren Teilen – zu negativen gesellschaftlichen Folgen und trägt wesentlich zur Sterberate nichtübertragbarer Krankheiten (NCD) bei. 

Europäische Alkoholpolitik – ein umstrittenes Thema

Für die Mitgliedstaaten ist das Thema durchaus strittig, da die Gesundheitspolitik, und dazu gehört auch die Alkoholpolitik, grundsätzlich in ihrem Verantwortungsbereich liegt. Jedoch zeigt die Erfahrung, dass nationale Gesetzgebungen in einem weitgehend kontrollfreien Binnenmarkt nur selten weiterhelfen, insbesondere wenn es um grenzüberschreitenden Alkoholhandel geht.  

 

Für die Kommission ist die Lage schwierig. Einerseits wird die Kommission, u.a. von skandinavischen Ländern, wegen fehlender Entschlossenheit kritisiert. So steht seit längerem zur Debatte, ob die Kommission eine (unverbindliche) Alkoholstrategie vorlegen soll. Andererseits sind es in aller Regel die Mitgliedstaaten selbst, die regulatorische Ansätze auf EU-Ebene ablehnen, z.B. eine gemeinsame Preisgestaltung. 

 

Auf einer Konferenz in Tallinn Ende Oktober 2017, bei der sowohl Mitgliedstaaten als auch Experten vertreten waren, ging es darum, Antworten auf folgende Fragen zu finden:  

 

  • Wie können die Etikettierungsanforderungen für alkoholhaltige Produkte an jene von anderen Nahrungsmitteln angeglichen werden?  
  • Wie können junge Erwachsene und Kinder vor grenzübergreifender Alkoholwerbung geschützt werden?  
  • Funktioniert die freiwillige Selbstregulierung der Alkoholhersteller?  
  • Wie können die EU-Mitgliedstaaten auf den grenzübergreifenden Alkoholhandel reagieren? 
  • Wie können Daten über Alkoholkonsum und Auswirkungen auf die Gesundheit erhoben und zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten verglichen werden?  
  • Welche Schritte sollen die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission unternehmen, um alkoholbedingte negative Folgeerscheinungen zu minimieren? 

Grenzüberschreitender Alkoholhandel verschärft das Problem

In Ländern, zwischen denen ein großes Preisgefälle herrscht, sind die Anreize zum Einkauf im Nachbarland besonders groß. Der private grenzüberschreitende Transport von Alkoholika beträgt in manchen Mitgliedstaaten bis zu 17 % der im Land konsumierten Alkoholika. Nationale Preis- und Vertriebspolitiken werden damit nachhaltig unterlaufen. Länder wie Finnland, Litauen und Slowenien regen daher eine Senkung der erlaubten Menge mitgeführter Alkoholika bei Grenzüberschreitung innerhalb der EU an. 

Einführung einer Pflicht zur Angabe der Inhaltsstoffe

Alkoholische Getränke beinhalten gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe, die Zutatenkennzeichnung auf vielen Produkten fehlt jedoch. Diskutiert wird, ob vor dem Hintergrund eines grenzüberschreitenden Handels verbindliche EU-weite Regelungen bis spätestens Ende 2019 eingeführt werden sollen. 

Einschränkung des Marketings

Um die 1,5 Mrd. Euro werden jährlich europaweit von der Alkoholindustrie für Marketingmaßnahmen vor allem im Fernsehen und Internet ausgegeben. Die estnische Ratspräsidentschaft stellt europäische Werbeverbote, z.B. bei Sportsendungen zur Debatte. Kritisch diskutiert wird auch die Selbstregulierung der Alkoholbranche. Hierbei wird auf die negativen Erfahrungswerte freiwilliger Regulierungsmaßnahmen bei der Tabakindustrie verwiesen. 

Was erwartet uns?

Zum Ende der Ratspräsidentschaft im Dezember 2017 wird Estland Schlussfolgerungen zu „Grenzüberschreitenden Aspekten der Alkoholpolitik – Schädlichen Alkoholkonsum bekämpfen“ vorlegen. Mit dieser Maßnahme sollen zwischen den Mitgliedstaaten Bemühungen für eine bessere Prävention gegen Alkohol koordiniert und konzentriert werden.  

 

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