Setzt sich der Nutri-Score® in Europa durch?

RB – 01/2020

Eine ausgewogene und gesunde Ernährung hat Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit. Laut WHO ist das Ernährungsverhalten häufig Ursache für die Entwicklung von Fettleibigkeit, Diabetes Mellitus Typ 2 oder Gefäßerkrankungen. Auch die Entwicklung einzelner Krebsarten werden durch die Ernährungsweise beeinflusst. Das Ernährungsverhalten in der EU ist somit für die Entwicklung der Morbidität und Mortalität in Europa mit entscheidend.

Bewusste Konsumentscheidung unterstützen

Der Ernährungsreport 2019 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zeigt, dass Deutsche zunehmend bewusstere Konsumentscheidungen beim Einkauf von Lebensmitteln treffen. Doch die Umsetzung einer bewussten Kaufentscheidung von gesunden Lebensmitteln ist häufig nur mit entsprechender Kenntnis oder nur durch Rechercheaufwand der Konsumentinnen und Konsumenten möglich.


Zur Kennzeichnung von Lebensmitteln in der Europäischen Union kommt derzeit die Verordnung EU Nr. 1169/2011 zur "Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über Lebensmittel" zur Anwendung und schafft damit einheitliche Mindestanforderungen. Diese regelt zum Beispiel die Vorgaben zur Lesbarkeit von Informationen auf Verpackungen, die Vorgabe von Mindestschriftgrößen, die absteigende Angabe der Zutaten nach Gewichtanteilen zum Zeitpunkt der Produktion oder die Angabe von Lebensmittelzusatzstoffen.

Nationale Weiterentwicklung im europäischen Vergleich

Eine Befragung der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zeigt, dass der sogenannte Nutri-Score® im Vergleich zu anderen Nährwertkennzeichnungssystemen (z.B. BLL-Modell, Keyhole® oder MRI-Modell) am besten wahrgenommen und verstanden wird.


Wie im Koalitionsvertrag festgehalten, wird in Deutschland die erweiterte Nährwertkennzeichnung, vorerst nicht verpflichtend, eingeführt. Das nationale Rechtsetzungsverfahren ist für 2020 geplant und muss von Brüssel genehmigt werden.


In Frankreich wurde der Nutri-Score® 2017 als freiwillige Kennzeichnung eingeführt. Mittlerweile ist die Nährwertkennzeichnung in Frankreich verpflichtend. Belgien und Spanien folgten 2018 in Form einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Privatwirtschaft. Die Einführung der Nährwertkennzeichnung wird auch in Portugal, Luxemburg und der Schweiz diskutiert.
Somit entsteht derzeit ein Flickenteppich an nationalen Regelungen in Europa. Inzwischen nehmen einzelne Hersteller (z.B. Nestlé, Iglo) und Einzelhändler (Albert Hejn (NL), Delhaize (BE), Aldi Suisse (CH, 2020) das Zepter selbst in die Hand und setzen eine freiwillige Nährwertkennzeichnung nach dem Nutri-Score®-Modell eigenständig für Ihre Produkte um. Diese legen jedoch teilweise unterschiedliche Einheiten zu Grunde.

Kommt ein einheitliches System in Europa?

Auf europäischer Ebene haben die Mitgliedstaaten bislang keine Einigung für ein einheitliches Modell erzielen können.


Einzelne Mitgliedstaaten äußern, dass aufgrund der individuell beeinflussten Kaufentscheidung, die regionale Wirtschaft ökonomisch negativ beeinflusst werde. Regionale Produkte, wie zum Beispiel ausgewählte Käsesorten, Olivenöl oder Wurstwaren würden durch die Kennzeichnung ggf. weniger konsumiert.


Laut OECD geben farblich gekennzeichnete Ampelsysteme 18 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher den Anreiz die gesündere Produktvariante zu wählen, was zu einer um 4 Prozent reduzierten Kalorienaufnahme führt. Verbraucherschützer unterstützen die Einführung einer einheitlichen Nährstoffkennzeichnung in der EU.


Am 30. April 2019 hat die Europäische Kommission in ihrer Beschlussfassung 2019/718 die Bürgerinitiative „Pro Nutri-Score“ registriert. Die Initiative hat nun bis zum 8. Mai 2020 Zeit, mindestens eine Millionen Stimmen aus mindestens sieben EU-Mitgliedstaaten zu sammeln, welche diese Initiative unterstützen. Dann muss die Europäische Kommission tätig werden.