Kapitalmarktintegration
Die Harmonisierung der Insolvenzregelungen ist ins Stocken geraten.
UM – 04/2024
Still ruht der See. Nachdem der mitberatende Ausschuss für
Wirtschaft und Währung (ECON) am 28. November des letzten Jahres seine Stellungnahme beschlossen hatte, ist es ruhig geworden um das Dossier zur Harmonisierung
bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts. Zunächst sah es so aus, dass der
zuständige Rechtsausschuss (JURI) ab März seine Haltung zum Vorschlag der
Europäischen Kommission [COM(2022)
702 final] klären wollte. Abgestimmt werden
sollte Anfang April, doch Pascal Arimont (EPP, BE), zuständig für die
Berichterstattung, blieb seinen Berichtsentwurf schuldig. Und eine Erklärung
auch.
Ansätze harmonisierter Regeln
Im Dezember 2022 hatte die Europäische Kommission
vorgeschlagen, bestimmte Aspekte des Insolvenzrechts zu harmonisieren und dazu
einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Mit dem Vorschlag zur Harmonisierung des
Insolvenzrechts sollen Wettbewerbsverzerrungen abgebaut und die
Kapitalmarktintegration gestärkt werden. Im Zentrum der Änderungsvorschläge
stehen dabei unter anderem die Bestimmungen für Anfechtungsklagen, die
Beschleunigung von Insolvenzverfahren, erleichterte Zugänge für
Insolvenzverwalter zu Bankkontoinformationen und anderes mehr (siehe hierzu
auch DSV-News
03/2003).
Annäherung hat nicht nur Freunde
Den größten Dissens in der Sache soll es dem Vernehmen nach bei
den vereinfachten Verfahren für Kleinstunternehmen und dem sogenannte
„Prepackverfahren“ geben. Letzteres ist ein beschleunigtes Verfahren mit dem
Ziel der Fortführung des Unternehmens durch Kauf durch einen Bestbieter. Und im
Rat gibt es Kräfte, die überhaupt keine Harmonisierung von Insolvenzregelungen
wollen. In der Überzeugung, dass das eigene Rechtssystem das beste sei, wird
eine Richtlinienänderung von sechs Mitgliedstaaten kategorisch abgelehnt,
darunter auch Deutschland.
Einigung in der 10. Amtsperiode?
In der
auslaufenden Legislaturperiode bleibt keine Zeit mehr, einen Standpunkt des
Europäischen Parlaments herbeizuführen. Somit wird die Konferenz der
Präsidenten nach der Konstituierung des neuen Parlaments entscheiden müssen, ob
das Dossier wieder aufgenommen und weiterverhandelt wird. Von Seiten der
S&D ist zumindest schon in beiden Ausschüssen angemeldet worden, dass das
Thema Priorität haben sollte. Ob dem nach der Wahl gefolgt wird, ist natürlich
offen. Erst müssen die Ausschüsse neu besetzt werden. Da mit dem
Kommissionsvorschlag zentrale Fragen des Binnenmarktes adressiert werden,
könnte man meinen, dass die Chancen für eine Wiederaufnahme gut sein. Es sei
denn, dass politischer Druck aus den Ländern dies verhindert.
Sozialbeiträge gehören nicht in die Insolvenzmasse
Die Sozialversicherungsträger sind als öffentliche Stellen
vom Geltungsbereich des Richtlinienvorschlags erfasst Die DSV hatte sich dafür
eingesetzt, die Sozialkassen von der Anfechtbarkeit auszunehmen und im März
letzten Jahres einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Der Tenor: Beitragsmittel gehören nicht in die Insolvenzmasse, sondern
sind für den Schutz der Versicherten und die Stabilisierung der Systeme der sozialen
Sicherung zu verwenden.
Manche Fragen bleiben offen
Dieser Auffassung hatte sich der Berichterstatter im
mitberatenden ECON, René Repasi (S&D, DE) angeschlossen und in seinem
Berichtsentwurf vom 25. Juli 2023 eine entsprechende Ergänzung in Artikel 6 vorgeschlagen.
In leichter Abwandlung ist diese am 28. November auch vom ECON beschlossen
worden (siehe
hier). Es wäre spannend gewesen, zu sehen, wie sich der JURI zur Frage der
Anfechtbarkeit von Sozialbeiträgen stellt. Leider ist die Frage offengeblieben.
Und möglicherweise wird es auch in der nächsten Legislaturperiode keine Antwort
geben.