Rechte der Sozialversicherungsträger müssen gestärkt werden

UM – 03/2023

Ende des vergangenen Jahres hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung verschiedener Aspekte des Insolvenzrechts veröffentlicht. Damit verfolgt sie das Ziel, die bestehenden nationalen Insolvenzvorschriften zu harmonisieren. Dies soll zu einer besseren Kapitalmarktunion führen, die Sicherheit für Anlegerinnen und Anleger erhöhen, die Kosten senken und grenzübergreifende Investitionen fördern.

Sozialkassen bevorzugen

Im Zentrum des Kommissionsvorschlags stehen unter anderem Vorschläge, die sich auf die Vereinheitlichung der Bedingungen für die Anfechtungsklage beziehen. Diese stellen unter anderem darauf ab, Rechtshandlungen für nichtig erklären zu können, wenn sie einen Gläubiger bevorzugen. Doch kennt dieser Grundsatz auch Ausnahmen.

Eine solche Ausnahme reklamiert die Deutsche Sozialversicherung auch für ihre Trägerorganisationen der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherung in Deutschland: Ihre Rechtshandlungen zur Befriedigung oder Sicherung von Sozialversicherungsbeiträgen sollten von der Anfechtung ausgenommen und nicht für nichtig erklärt werden können. Dazu hat die DSV einen Änderungsvorschlag unterbreitet.

Sozialkassen sind Zwangsgläubiger

Die Argumente hierfür liegen auf der Hand. In Insolvenzverfahren sind die Forderungen der Träger der sozialen Sicherheit nicht mit privatrechtlichen Forderungen gleichzustellen. Denn aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Versicherungs- und Kontrahierungspflichten können sich die Sozialversicherungsträger ihre Vertragspartnerinnen und -partner nicht aussuchen. Sie sind Zwangsgläubiger. Daneben sind Sozialversicherungsbeiträge Bestandteil der Lohn- und Gehaltszahlungen. Es ist widersprüchlich, dass sie – anders als die Lohn- und Gehaltsforderungen – nicht bevorzugt zu behandeln sind.

Unternehmenssanierung aus Beitragsmitteln

Im Ergebnis werden durch die gegenwärtige Rechtspraxis in Deutschland durch einen Forderungsausfall bei Insolvenz oder einer Anfechtung bereits gezahlter Beiträge dem Sozialversicherungssystem Mittel entzogen. Mittel, deren Verwendung gesetzlich zum Schutz der Versicherten und zur Stabilisierung der Systeme vorgeschrieben sind. Geld, das heute in der Insolvenzmasse aufgeht und so der Befriedigung privatrechtlicher Gläubiger oder der Sanierung des Insolvenzschuldners zufließt. In anderen Mitgliedstaaten, zum Beispiel Frankreich, wird dies anders gehandhabt.

EuGH

Der Europäische Gerichtshof hat seine eigene Sicht auf die Dinge. Für ihn ist die teilweise Befreiung von Soziallasten je nach Wirkung der Maßnahme als eine unerlaubte Beihilfe zu werten (Urteil vom 17. September 2020 (Aktenzeichen C-212/19). Würde die Anfechtbarkeit bereits geleisteter Sozialversicherungsbeiträge zugelassen, läge nach Ansicht der deutschen Sozialversicherung und mit Blick auf die Argumentation des Luxemburger Gerichts die Vermutung einer unerlaubten Beihilfe nah.